Erstmals gab es in Afghanistan zwei Anschläge auf die Quick Reaction Force (QRF) der Bundeswehr. Nach Informationen von WELT ONLINE wurde ein Konvoi der in Masar-i-Sharif stationierten Schnellen Eingreiftruppe von einem Selbstmordattentäter attackiert. Der Angreifer starb. Jetzt wächst der Druck für einen Abzug der Bundeswehr.
Nach den verheerenden Angriffen auf Bundeswehrsoldaten in Afghanistan in den vergangenen Wochen, ist die Truppe nach Informationen von WELT ONLINE erneut angegriffen worden. Die drei Anschläge richteten zwar nur Sachschaden an, der politische Schaden ist jedoch immens: Der Druck für einen Abzug der Bundeswehr wird größer.
Ins Visier geriet dabei erstmals auch die seit Juli in Masar-i-Sharif stationierte schnelle Eingreiftruppe (Quick Reaction Force, QRF). Am Samstag wurde ein QRF-Konvoi gleich zweimal angegriffen. Im ersten Fall sprengte sich ein Selbstmordattentäter beim Konvoi in die Luft. Weitere Opfer gab es nicht. Nur wenige Kilometer entfernt explodierte ein in einem abgestellten Fahrrad verborgener Sprengsatz. Es kam nur zu leichten Sachschäden. Ein Zusammenhang zwischen beiden Attacken ist nicht erkennbar. Völlig unklar ist auch, ob der QRF-Konvoi gezielt ausgesucht wurde.
Am Sonntag wurde zudem das deutsche Feldlager in Kundus mit einer Rakete beschossen. Sie schlug auf dem Gelände ein, ohne Schaden anzurichten. Im vergangenen Winter hatte es insgesamt 36 Raketenangriffe gegeben. Deshalb waren rund 200 zusätzliche Soldaten als Verstärkungskräfte nach Kundus verlegt worden. Danach hatten die Attacken zunächst nachgelassen.
Das Kabinett will heute ein Afghanistan-Konzept beschließen. Es beschreibt jährlich neu die Situation, die Veränderungen gegenüber dem Vorjahr und die Voraussetzungen, unter denen Deutschland Soldaten und Polizisten in das Land schickt. Die verschärfte Sicherheitslage im Norden werde darin „sehr offen“ beschrieben, hieß es. Das Mandat für den Afghanistan-Einsatz der Soldaten, dessen Verlängerung Mitte Oktober ebenfalls ansteht, ist aber noch nicht Gegenstand der Kabinettssitzung.
Zu dem aktualisierten Afghanistan-Konzept gehören eine Aufstockung der Gelder für zivilen Wiederaufbau von 70 Millionen auf 100 Millionen Euro (Entwicklungsministerium), die Verdreifachung der Mittel für die Polizeiausbildung von 12 auf 35,7 Millionen Euro (Innen) und die Erhöhung der Obergrenze des Bundeswehrkontingents von 3500 auf 4500 Soldaten (Verteidigung).
Zusätzlich soll der Unifil-Einsatz der Marine vor der libanesischen Küste verlängert werden. Wegen der Bundestagswahl in einem Jahr geht die Verlängerung nicht wie üblich über zwölf, sondern über 15 Monate bis Dezember 2009. Die Ministerrunde tritt in dieser Woche wegen der verschiedenen Parteiklausuren bereits am Dienstag statt wie üblich mittwochs zusammen.
Deutschland stockt Afghanistan-Hilfen auf
Deutschland stockte seine Finanzhilfen für den zivilen Wiederaufbau Afghanistans in diesem Jahr deutlich auf. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sagte dem Land zusätzliche Mittel in Höhe von 30 Millionen Euro zu.
Damit erhöht sich der Gesamtbetrag der Bundesregierung für den Wiederaufbau Afghanistans in diesem Jahr auf 170 Millionen Euro. Davon trägt das Entwicklungsministerium 100 Millionen Euro. Die zusätzlichen Mittel sollen helfen, die Folgen der Nahrungsmittelkrise in Afghanistan zu lindern. Das Kabinett befasst sich an diesem Dienstag mit dem aktualisierten Afghanistan-Konzept.
In dem rund 30 Seiten starken Papier bekennt sich die Bundesregierung zum deutschen Engagement und dem Wiederaufbau des Landes. Wieczorek-Zeul betonte anlässlich des Besuchs des afghanischen Außenministers Rangin Dadfar-Spanta in Berlin: "Deutschland hat den Menschen in Afghanistan nach dem Ende des Taliban-Regimes versprochen, sie beim Wiederaufbau zu unterstützen." Daran solle festgehalten werden.
Die Entwicklungsministerin sagte, Ziel sei es, die Ernährung der Bevölkerung zu sichern, Einkommen zu schaffen und die Landwirtschaft zu stärken. Auch Gesundheitseinrichtungen und Berufsausbildung sollen gefördert und die Bevölkerung insbesondere in ländlichen Gebieten mit erneuerbarer Energie versorgt werden.
Neben dem zivilen Engagement ist Deutschland in Afghanistan auch militärisch stark präsent. Die Bundeswehr ist mit derzeit 3270 Soldaten drittgrößter Truppensteller der internationalen Schutztruppe Isaf.
Pakistan als "Brutstätte für Terroristen"
Der afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta bezeichnete die an Afghanistan angrenzenden Stammesgebiete in Pakistan als "Brutstätte für Terroristen". Die "ideologischen und militärischen Ausbildungslager" befänden sich "außerhalb Afghanistans" in den Bergregionen des Nachbarlandes, sagte Spanta nach einem Treffen mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).
"Wir müssen das stoppen", sagte Spanta. Der Kampf gegen radikalislamische Aufständische müsse "geographisch" ausgeweitet werden. Den Islamisten dürfe nicht die Möglichkeit gegeben werden, "den Terror als Instrument der Außenpolitik zu nutzen".
Die afghanische Regierung unterstütze den neuen pakistanischen Präsidenten Asif Ali Zardari, sagte Spanta weiter. Er hoffe auf eine Zusammenarbeit in Fragen der Sicherheit in der Region. Die pakistanischen Stammesgebiete an der Grenze zu Afghanistan sind wichtige Rückzugsgebiete für Kämpfer der radikalislamischen Taliban und des Terror-Netzwerks al-Qaida. Die Regierungen in Washington und Kabul werfen Islamabad regelmäßig vor, nichts gegen das Einsickern der radikalen Kräfte von Pakistan nach Afghanistan zu unternehmen.