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Hauptseite » 2008 » August » 28 » Kriminalität: Der schwere Kampf gegen die deutsche Mafia
Kriminalität: Der schwere Kampf gegen die deutsche Mafia
09:49
Welt Online, 27.08.2008
 

Das Bundeskriminalamt hat über seinen Kampf gegen die Organisierte Kriminalität berichtet. Immer noch unterwandern Verbrecherbanden auf hohem Nivea legale Wirtschaftszweige. Die Kriminellen wissen dabei moderne Technik geschickt zu nutzen. Auch die Globalisierung kommt der Mafia zugute.

Bilder: Die zehn Gebote der Mafia

Jürgen Maurer hat einen schwierigen Job. Er ist Leiter der „Abteilung für Schwere und Organisierte Kriminalität“ des Bundeskriminalamts (BKA) und damit einer der ranghöchsten Verbrecherjäger in Deutschland. Doch während die Suche nach Strategien gegen die „OK“ in den neunziger Jahren noch als zentrale kriminalistische Herausforderung der Zukunft galt, fristet sie seit geraumer Zeit ein Schattendasein. Seit den Anschlägen des 11. September 2001 rückte die Bekämpfung des internationalen Terrorismus in den Vordergrund, politisch und damit auch in der Prioritätenliste des BKA. „Diese Schwerpunktsetzung war zweifellos richtig“, sagte Maurer WELT ONLINE. „Aber es gibt nicht nur Terror, auch die Organisierte Kriminalität hat weiterhin eine unverändert große Bedeutung für unsere Sicherheitslage.“

Um diese Botschaft im Bewusstsein der Bürger zu verankern, lud das BKA gestern erstmals seit Jahren wieder zu einer öffentlichen Präsentation des „Bundeslagebildes Organisierte Kriminalität“. Auf den ersten Blick findet sich in den Statistiken zwar kein Beleg für Maurers Gefahrenanalyse. So wurden im vergangenen Jahr 602 OK-Verfahren geführt, 2006 waren es noch 622.

Die Zahl der Tatverdächtigen blieb mit 10356 etwa konstant, der geschätzte Gewinn von kriminellen Organisationen sank von rund 1,8 Milliarden Euro auf 480 Millionen. Die meisten Delikte stehen im Zusammenhang mit Rauschgifthandel und -schmuggel (37 Prozent), Eigentums- (16,6 Prozent) und Wirtschaftskriminalität (15,4 Prozent).

Doch die Zahlen sind in Wahrheit nicht besonders aufschlussreich. Denn die Bedrohung aus der Schattenwelt der organisierten Kriminellen ist weitgehend unsichtbar, das Dunkelfeld unüberschaubar. Wer mit Heroin dealt und Kokain kauft, wer Schutzgelder zahlt, Schwarzgeld wäscht oder zur Prostitution gezwungen wird, der geht gemeinhin nicht zur Polizei. Und wo keine Anzeige erstattet wird, muss der Staat ein Verbrechen erst einmal aufdecken.

 

 

Alles eine Frage der Personalstärke

Das Lagebild spiegelt deshalb vor allem die polizeiliche Ermittlungsarbeit wider, die Kapazitäten der OK-Bekämpfung. „Organisierte Kriminalität ist ein Kontrolldelikt“, sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke. „Je mehr Personal wir einsetzen, desto mehr Delikte werden aufgedeckt.“ Es solle niemand glauben, ergänzte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, die OK sei auf dem Rückzug: „Das Gegenteil ist der Fall.“

Zwar betonte Ziercke, dass die im Zuge der Konzentration auf die Terrorbekämpfung von der OK abgezogenen Personalstellen weitgehend wieder besetzt sind und sich die Zahl der Ermittler auf dem Niveau des Jahres 1998 bewege. Doch die Methoden der Kriminellen haben in diesen zehn Jahren nicht stagniert, sondern sich erheblich professionalisiert. Verschlüsselte und anonymisierte Telekommunikation machen den Ermittlern das Leben schwer, die Clans der Unterwelt agieren mittlerweile wie Wirtschaftsunternehmen. „Legale Wirtschaftszweige werden durch die Investition illegaler Gelder mafiöser Organisationen zunehmend unterwandert“, sagte Ziercke.

OK ist heute ein international organisiertes System der Gewinnmaximierung, vergleich dem multinationaler Konzerne. Das organisierte Verbrechen folgt den globalisierten Waren- und Migrationsströmen, Heroin wird in Deutschland von Türken oder Albanern gehandelt, je nachdem, welche Route es aus den Anbaugebieten Afghanistans genommen hat.

Die italienischen Gastarbeiter haben die Mafia importiert, Einwanderer aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion traditionelle russische Verbrecherkartelle. Die gemeinsame Herkunft fördert dabei Loyalität und Verschwiegenheit und verstärkt die Abschottung nach außen. Für Ermittler ist es nahezu unmöglich, in diese Clanstrukturen vorzudringen. Zumal Gewalt tendenziell unerwünscht ist: Sie fällt auf. Eine Leiche, und schon kommt die Polizei.

Wie wenig Einblick die deutsche Polizei in OK-Strukturen hat, wird immer dann besonders deutlich, wenn die Verteilungskämpfe in der Unterwelt doch einmal in offene Gewalt münden. So wie im August 2007 in Duisburg. Sechs Italiener waren damals vor dem Restaurant „Da Bruno“ im Kugelhagel zweier Schnellfeuergewehre getötet worden. Die hiesigen Ermittler wurden von der Eskalation einer Clanfehde der kalabresischen Mafiaorganisation 'Ndrangheta kalt erwischt, eilig wurde eine gemeinsame Task Force mit der italienischen Polizei ins Leben gerufen. Denn alle Experten sind sich im Grundsatz einig, dass über alle Ländergrenzen hinweg operierende OK nur durch Kooperation der Polizeibehörden im Zaum zu halten ist.

Doch die Task Force zeigt, wie schwierig sich eine solche Zusammenarbeit im Einzelfall gestaltet. „Die rechtspolitische Lage in Italien ist anders als in Deutschland“, sagte Ziercke. Gewinnabschöpfung aus illegalen Geschäften, Kronzeugenregelung, Wohnraumüberwachung – in Italien mit seiner hundertjährigen Mafiageschichte ist da vieles mehr möglich als in Deutschland. Und so beharken sich die Gesandten beider Länder mehr als dass sie kooperieren. Die Italiener werfen den Deutschen Gesetzesdefizite und undichte Stellen vor.

Das BKA wiederum beklagt, nur alte Daten übermittelt zu bekommen. Obwohl Erkenntnisse über 215 'Ndrangheta-Mitglieder Richtung Deutschland flossen, klagte Maurer: „Wir können bislang keine wesentliche Verbesserung der Informationslage feststellen. Wir erwarten aktuelle Daten.“ Teilweise habe man Material erhalten, welches das BKA zuvor selbst nach Italien gesandt hatte.

Ziercke offenbarte zwar ein gewisses Verständnis für die italienische Zurückhaltung. Schließlich müssten die Staatsanwälte dort um ihr Leben fürchten, wenn Informationen an den falschen Adressaten gelangten. Aber den Ruf nach Rechtsverschärfungen aus Südeuropa wies er energisch zurück.

Und so ist zwar allen Beteiligten klar, dass Deutschland zwar längst vom Rückzugs- zum Operationsraum der Mafia geworden ist. Aber die Zusammenarbeit der Ermittler bleibt „problematisch“, so Ziercke. Und der Job von Jürgen Maurer ein ziemlich schwieriger.

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