Der russische Präsident Dmitri Medwedjew hat die Unabhängigkeit der von Georgien abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien anerkannt. Das teilte Medwedjew in einer vom russischen Fernsehen übertragenen Erklärung mit. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Anerkennung der beiden Provinzen "absolut nicht akzeptabel".
Südossetien und Abchasien müssten vor weiteren möglichen Aggressionen aus Georgien geschützt werden, sagte Medwedjew. "Das ist die einzige Möglichkeit, das Leben der Menschen dort zu schützen." Den georgischen Präsidenten kritisierte er scharf: "Saakaschwili hat den Völkermord gewählt, um seine politischen Aufgaben zu lösen". Mit dem Angriff georgischer Truppen auf Südossetien am 8. August seien die letzten Hoffnungen der Menschen in Südossetien und Abchasien auf ein friedliches Zusammenleben zerstört worden.
Der Kremlchef sagte, die Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens sei keine leichte Entscheidung gewesen. Aber es sei in diesem Moment die einzig mögliche Entscheidung, erklärte der Kremlchef. Medwedew rief andere Länder auf, ebenfalls die Unabhängigkeit der von Georgien abtrünnigen Gebiete anzuerkennen.
Die Menschen in den von Georgien abtrünnigen Provinzen Südossetien und Abchasien reagierten mit Begeisterung die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit durch Russland. Durch die Straßen der vom jüngsten Krieg weitgehend zerstörten Hauptstadt Zchinwali liefen am Dienstag Menschen mit den Fahnen Russlands und Südossetiens, wie die russische Agentur Itar-Tass meldete. Aus vielen Richtungen seien Gewehrsalven zu hören gewesen. Kurz nach der Verkündung der Anerkennung durch den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew sei das Mobilfunknetz in der Region wegen Überlastung zusammengebrochen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Anerkennung von Südossetien und Abchasien durch den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew als völkerrechtswidrig und „absolut nicht akzeptabel“. „Ich denke, dass die gesamte Europäische Union sich in diesem Sinne auch äußern wird“, sagte sie in einer Rede in der estnischen Hauptstadt Tallinn.
Die politischen Bemühungen um eine Lösung der Kaukasus-Krise seien „sehr erschwert worden“ durch diesen Schritt Russlands. „Dieses widerspricht nach meiner Auffassung dem Prinzip der territorialen Integrität“, sagte Merkel.
Gleichzeitig erklärte sie aber, dass sie weiter zum Dialog mit Russland bereit sei. „Auch im Rahmen der Nato möchte ich den Gesprächsfaden mit Moskau nicht abreißen lassen.“
Die Kanzlerin bekräftigte die offenen Türen für eine Nato-Mitgliedschaft von Georgien und der Ukraine. „Georgien und die Ukraine werden Mitglieder der Nato sein“, sagte sie. Niemand solle daran Zweifel haben, dass als nächster Schritt der Aktionsplan zur Mitgliedschaft stehe.
Der russische Nato-Botschafter Dmitri Rogosin kündigte an, Russland werde die Zusammenarbeit mit der Nato in verschiedenen Bereichen aussetzen. Als Beispiel nannte Rogosin den für Mitte Oktober geplanten Besuch von Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. „Diese Angelegenheit wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, bis wir uns über unsere neue Beziehung zur Nato im Klaren sind“, sagte Rogosin.
Frankreich als amtierende EU-Ratspräsidentschaft reagierte als erstes auf die russische Ankündigung, Südossetien und Abchasien anzuerkennen. „Wir betrachten das als bedauerliche Entscheidung“, sagte ein Sprecher des französischen Außenministeriums. Paris halte weiter an der „territorialen Integrität Georgiens“ fest.
Die USA und zahlreiche europäische Länder hatten Russland zuvor eindringlich vor diesem Schritt gewarnt. Am Montag hatten beide russische Parlamentskammern den Präsidenten in einem einstimmig verabschiedeten Appell zur Anerkennung der Provinzen aufgefordert. US-Präsident George W. Bush wies den Beschluss mit Blick auf die territoriale Einheit Georgiens als völkerrechtswidrig zurück.
Wegen des Konfliktes sind nach Einschätzung des Kinderhilfswerks Unicef rund 40.000 Kinder dringend auf Hilfe angewiesen. Darunter seien 5.700 Kleinkinder unter zwei Jahren, teilte die Hilfsorganisation mit. „Viele Flüchtlinge hausen in heruntergekommenen Gebäuden ohne Glas in den Fenstern, ohne Toiletten, elektrischen Strom und fließendes Wasser“, sagte die Leiterin von Unicef Georgien, Giovanna Barberis.
Die Kinder litten unter den unhygienischen Lebensbedingungen und der unzureichenden Ernährung. Sie seien zudem durch Flucht und Gewalt verstört und zeigten psychosomatische Stressreaktionen wie Schlafstörungen oder Angstzustände. Auch für schwangere Frauen seien die Umstände bedrohlich. Junge Familien bräuchten dringend Zusatznahrung, Windeln oder Hygieneartikel, erklärte Barberis.
In Georgien sind nach Unicef-Angaben rund 130.000 Menschen vor den Kämpfen geflohen. Weitere 30.000 sind über die Grenze nach Nord-Ossetien gelangt. Inzwischen versuchten zwar viele Familien wieder in ihre Heimatdörfer zurückzukehren, doch auch dort sei ihre Versorgung nicht gesichert, erklärte das Kinderhilfswerk. Häuser seien zerstört und die umkämpften Ortschaften stark vermint.