Nirgends in Europa stagniert die Bevölkerungsentwicklung so stark wie im Osten Deutschlands. Laut einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung droht der Region beim jetzigen Abwanderungsverhalten eine rasante Überalterung. Die europäischen Nachbarn dagegen wachsen und gedeihen.
Einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zufolge werden im Osten Europas besonders wenige Kinder geboren, eine Überalterung der Gesellschaft droht. Benotet wurden 24 unterschiedliche Kategorien - vom Altersdurchschnitt über den Frauenanteil bis zur Abwanderung in den Regionen. Zusammengefasst ergeben sich daraus Gesamtnoten von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend).
Ostdeutschland liegt bei der Bevölkerungsentwicklung europaweit auf dem letzten Platz. Nirgendwo sind großflächig so viele junge Frauen abgewandert, was die geringe Geburtenrate weiter drückt und die Überalterung beschleunigt. Dies zeigt eine Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Ausgerechnet die Hauptstadt Berlin weist demnach mit durchschnittlich nur 1,18 Kindern pro Frau die niedrigste Geburtenrate im ganzen Land auf.
Hingegen haben Island, Irland und Zypern eine junge Bevölkerungsstruktur und wachsen stark. Hohe Kinderzahlen weisen auch Frankreich, Norwegen, Irland und Großbritannien auf. Frankreich, das im Jahr 2000 noch 23 Millionen Einwohner weniger hatte als Deutschland, dürfte die Bundesrepublik bis 2050 als einwohnerstärkstes Land Europas ablösen.
Oberbayern und Freiburg Gewinner in Deutschland
Das Berlin-Institut hat für die Studie die Zukunftsfähigkeit von 285 europäischen Regionen anhand von 24 Kriterien bewertet – unter anderem Bevölkerungsentwicklung, Wohlstandsniveau, Bildungsgrad sowie Arbeitschancen und Gesundheitsversorgung. Die ersten fünf Plätze in punkto Zukunftsfähigkeit belegten die Regionen Island, Stockholm, Oslo, Zürich und die Ostschweiz. Die ersten deutschen Landstriche finden sich erst auf Platz 18 (Oberbayern), Platz 38 (Freiburg) sowie Platz 42 (Stuttgart und Tübingen). Ganz am Ende der Liste stehen Leipzig sowie die griechischen Provinzen Zentralmakedonien und Thessalien.
Ostdeutschland hat den Anschluss an den Westen trotz massiver Subventionen über 18 Jahre hinweg nicht geschafft, konstatierten die Forscher. Sie zeichneten ein recht düsteres Zukunftsbild: „Tschechien und Slowenien, selbst die Hauptstadtregionen von Ungarn und der Slowakei, haben im Vergleich zu Ostdeutschland bessere Zukunftschancen."
Deutschland wird der Untersuchung zufolge wegen der niedrigen Kinderzahl in den nächsten Jahrzehnten mehr Einwohner verlieren als jedes andere Land der EU. Besonders krass wird der Abwärtstrend im ehemals hoch industrialisierten Sachsen-Anhalt sowie im Ruhrgebiet und im Saarland ausfallen.
Auch die deutsche Hauptstadt bildet europaweit einen Sonderfall. Zwischen 2000 und 2005 verzeichnete Berlin praktisch kein Wachstum der Wirtschaftskraft, während andernorts die Metropolen normalerweise die dynamischsten Zentren sind. Abgesehen von der Bahn hat kein wichtiges Großunternehmen seinen Sitz in Berlin.
Die Wissenschaftler stellten zudem fest, dass die Quote von Studierenden in Deutschland mit 36 Prozent deutlich unter dem Mittel der OECD von 54 Prozent liegt. Dies sei zu wenig, selbst wenn man das deutsche System der dualen Ausbildung dagegen halte. In Deutschland gelten dem Bericht zufolge 21,6 Prozent der deutschen Jugendlichen als nicht ausbildungsfähig, in Finnland seien es nur sieben Prozent.