WEINBACH. Gemütliche Atmosphäre haben die Sommerfeste des Weinbacher Wandervogels auf dem Vereinsgelände in Kleinweinbach ja schon immer ausgestrahlt. Mit flackernden Feuern und in großen Zelten konnte man bei gutem, wie schlechtem Wetter einen kurzweiligen Nachmittag und Abend verbringen.
Neben musikalischen Untermalung, reichhaltiger Kuchen und Grilltheke, ließen Diashows, Fotoausstellung über die Unternehmungen der WV-Jugendgruppen weder für Jung noch Alt Langeweile aufkommen.
Zusätzlich zum bewährten Programm wird am kommenden Samstag, den 23. August einer der letzten noch lebenden Zeitzeugen Jugenderlebnisse aus der NS-Zeit berichten, als alle Pfadfinder und Wandervogelbünde verboten waren, einige Jugendgruppen aber dennoch heimlich weiterbestanden. Berry Westenburger liest dazu ab 14 :30 Uhr spannende Episoden aus seinem mit dem hessischen Förderpreis bedachten neuen Buch „Wir pfeifen auf den ganzen Schwindel“.
Westenburger gehörte zu einer illegale Wandervogelgruppe aus halbwüchsigen Jugendlichen und jungen Männern in Frankfurt, deren Fahrtengebiet der Taunus war.
Was bewegte 14 jährige Jungs dazu, sich der Gleichschaltung zu widersetzen, trotz aller Riskiken, trotz Verfolgung durch den Streifendienst der HJ, der Polizei und der Gestapo in den alten Gruppen weiterzumachen? Auf Fragen wie diese wird Berry Westenburger eingehen und auch nach seinem Vortrag für Gespräche zur Verfügung stehen.
Danach berichten junge Wandervögel in Diavorträgen von ihren Fahrten, die die Jugendgruppen des WWV, die es inzwischen in vielen Regionen Deutschlands gibt, in den Schulferien in viele Länder Europas geführt haben. In diesem Jahr sind junge Studenten aus Limburg sogar in Nordkanadas Wildnis mit dem Kanu auf dem Yukon gefahren. Jungs aus Weinbach und Weilmünster waren drei Wochen auf Sardinien unterwegs.
Auf den Fahrten von denen die jungen Wandervögel berichten, werden die Jugendlichen gefordert. Jeder trägt seinen Rucksack selbst, es wird selbst musiziert, selbst gekocht und zumeist draußen gezeltet. Selbstverständlich, dass auch die Jüngeren Aufgaben übernehmen und das Programm mitgestalten. Dadurch wächst Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein, durch die Fahrten in die verschiedensten Gegenden Deutschlands oder Europas aber auch Welterfahrung. Nicht zuletzt verknüpft sich dadurch schulisches Wissen.
Wie man in Kleinweinbach schön erleben kann, gehört zum Wirken des Wandervogels aber auch das Begeistern und Hinführen zu kulturellen Dingen, Musik, Literatur und Kunst. So waren die meisten Jugendlichen gemeinsam schon in der Oper oder Konzerten, im Theater oder Museen, in die sie mit ihren Eltern nie gegangen wären, bzw. diese nie auf die Idee gekommen wären ihre Kinder dort hinzuführen.
All dies zusammen führt schon im Jugendalter zu selbstbewußten Persönlichkeiten, die in der Lage sind, selbst zu denken und Meinungen zu bilden und deshalb recht unanfällige für Meinungsdiktaturen sind. Auch da hat sich seit dem Beginn vor über 100 Jahren nichts an den Ansprüchen des Wandervogels geändert. Das Sommerfest in Kleinweinbach gewährt dazu einen schönen Einblick.
Kontakt: www.weinbacher-wv.deoder Andreas Gürke, andreasg@weinbacher-wv