Kiel (dpa) - In Deutschland bahnt sich ein Skandal um die unerlaubte Weitergabe von Kontoverbindungen tausender Verbraucher an. Der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein wurde nach eigenen Angaben eine CD mit Daten von 17 000 Bundesbürgern zugespielt.
Sie enthält Angaben über Name, Geburtsdatum, Adresse, Kontoverbindungen und Telefonnummern. Nach Angaben der «Bild»-Zeitung wurden die Daten von einer Firma in Viersen (Nordrhein-Westfalen) an andere Unternehmen verkauft. Die Firma habe sie unter anderem an ein Call-Center in Schleswig-Holstein weitergegeben, sagte der der schleswig- holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert.
Ob die entdeckten 17 000 Datensätze bereits genutzt wurden, um Verbraucher zu betrügen, war zunächst unklar. In den vergangenen Wochen hätten sich jedoch Fälle gehäuft, bei denen Glücksspielunternehmen von Konten ohne Einwilligung der Kontoinhaber Geld abgebucht hätten, sagte der Sprecher der Verbraucherzentrale in Schleswig-Holstein, Thomas Hagen. Ob die Namen der Betroffenen sich auf der CD finden, sei von der Verbraucherzentrale jedoch nicht überprüft worden. Die CD sei sofort an den Datenschutzbeauftragten gegangen, sagte Hagen. Der wiederum leitete sie an die Staatsanwaltschaft in Mönchengladbach weiter.
Die Ermittlungsbehörde in NRW wollte auf Anfrage nicht weiter auf den Fall eingehen. «Aus ermittlungstaktischen Gründen können wir dazu kein Wort sagen», erklärte ein Sprecher. Eine Strafanzeige liege noch nicht vor. Laut der Berliner Tageszeitung «taz» (Mittwochausgabe) könnte die Kölner Firma LottoTeam hinter dem vermuteten Datenmissbrauch stecken. «Wir haben die Firma gestern abgemahnt», sagte ein Sprecher der Verbraucherzentrale Brandenburg.
LottoTeam räumte am Dienstag ein, dass externe Dienstleister unrechtmäßig Daten gekauft und damit Vertragsabschlüsse vorgetäuscht hätten. Das Lottounternehmen selbst könne die Angaben der Call-Center nur stichprobenweise überprüfen. Laut «taz» hat auch die Verbraucherzentrale Hessen etliche Beschwerden über die Firma entgegengenommen. «Das hat in den letzten Wochen deutlich zugenommen», sagte Sprecherin Ute Klaus dem Blatt. Insgesamt hätten deutsche Verbraucherzentralen rund 500 Missbrauchsfälle registriert. In allen Fällen hätten die Betroffenen berichtet, ihnen seien nach einem Werbeanruf der Lotto-Firma Beträge abgebucht worden, ohne jemals die Kontodaten offengelegt zu haben.
Die Datenschützer in Schleswig-Holstein vermuten, dass die Daten auf der CD von der Süddeutschen Klassenlotterie (SKL) stammen könnten. Darauf weise die Datenstruktur auf dem Datenträger hin, sagte Weichert. Die Lotterie versprach, alles zu tun, um den Fall aufzuklären. «Die SKL hat nie Daten an Dritte weitergegeben», teilte das Unternehmen in München mit. Eventuell könnten die Daten auch gestohlen worden sein, sagte Hagen von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein.
Nach Einschätzung des Chaos Computer Club (CCC) nimmt der Handel mit Adress- und Bankdaten immer größere Dimensionen an. «Es gibt etwa 60 Millionen Adressen in Deutschland, bis auf einen kleinen Teil dürften alle auf dem Markt sein», sagte CCC-Sprecher Frank Rosengart am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur dpa in Hamburg. Gerade im Internet und bei Telefonanfragen sei dringend dazu zu raten, nicht einfach seine Kontaktdaten zu hinterlassen.
Allerdings seien die Kunden «selbst schuld», wenn sie ihre Kontoumsätze nicht beobachteten und so illegale Abbuchungen nicht bemerkten. «Wer sein Konto regelmäßig kontrolliert, ruft bei einem entsprechenden Vorfall sofort seine Bank an und bekommt das Geld zurückgebucht», sagte Rosengart. «Die beste Methode gegen Adress- und Bankdatenhandel ist Datensparsamkeit.»
Schleswig-Holsteins Datenschützer befürchten, dass hinter jedem Betrugsfall noch hunderte von anderen Fällen stecken, die bislang nicht gemeldet wurden. «Das Ganze ist offensichtlich vor dem Hintergrund zu sehen, dass Kontodaten ein begehrtes Gut auf dem Schwarzmarkt sind, um per "cold call" Verträge am Telefon unterzujubeln oder sogar ganz illegal Abbuchungen vorzunehmen», erläuterte der Datenschutzexperte Weichert. Dies geschehe möglichst mit kleinen Beträgen, damit sich die Betroffenen nicht zur Wehr setzten und nicht die Staatsanwaltschaft einschalteten.