Berlin (dpa) - Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir warnt davor, antisemitische Tendenzen bei Muslimen in Deutschland als Problem zu unterschätzen. «Die Vertreter der muslimischen Verbände müssen klare Kante zeigen und betonen: Wer sich gegen Juden stellt und wer sich gegen das Existenzrecht Israels stellt, der kann nicht Bündnis- oder Gesprächspartner sein», sagte der türkischstämmige Parteichef der «Frankfurter Rundschau». Man müsse leider zur Kenntnis nehmen, «dass es antisemitische Denkweisen nicht nur am rechten Rand oder bei linken sogenannten Anti-Imperialisten gibt, sondern auch in der muslimischen Community (Gemeinschaft) - insbesondere bei männlichen arabischen, türkischen und kurdischen Jugendlichen».
Nach Einschätzung Özedemirs identifizieren sich auch türkische Jugendliche mit den Palästinensern, weil sie vielfach auf Identitätssuche seien und sich «sich in dieser Gesellschaft als marginalisiert empfinden». Daher zeigten sie «eine Überidentifikation mit dem Konflikt im Nahen Osten». Ein Motiv sei sicher die gemeinsame Religion, in der sich viele hier in Deutschland zu Recht oder zu Unrecht ausgegrenzt fühlten. Es spielten aber auch einige türkische und arabische Medien «eine unrühmliche Rolle», sagte der Grünen-Chef. Sie trügen «eine sehr verzerrte und stereotype Sicht auf Israel und die Juden in die Wohnzimmer nach Deutschland». Der Staat oder die Lehrerschaft dürften sich bei diesem schwierigen Thema nicht wegducken.
Laut einer Studie im Auftrag des Bundesinnenministeriums aus dem Jahr 2007 tendieren muslimische Schüler überdurchschnittlich stark zu antisemitischen Vorurteilen. Von 500 befragten jungen, in Deutschland aufgewachsenen Muslimen stimmten 15,7 Prozent dem Satz zu: Menschen jüdischen Glaubens sind überheblich und geldgierig. Die Zustimmung zu diesem Vorurteil war damit doppelt so hoch wie bei anderen Einwanderer-Jugendlichen und fast dreimal so hoch wie in der originär deutschen Altersgruppe.