Nach heftigen Kämpfen im Osten der Demokratischen Republik Kongo haben die Regierungstruppen in der Provinz Nord-Kivu die Flucht vor den heranrückenden Rebellen ergriffen. Die Truppen hätten am Mittwoch die Provinzhauptstadt Goma in Richtung Süd-Kivu verlassen, verlautete aus Militärkreisen.
Zuvor hatten Kampfhubschrauber der UN-Mission im Kongo (MONUC) erneut auf Seiten der Regierungstruppen eingegriffen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte ein Ende der Kämpfe. Die Bundesregierung in Berlin rief beide Seiten auf, die Waffen umgehend niederzulegen. Tausende Menschen befinden sich auf der Flucht, viele suchten Schutz im benachbarten Uganda.
"Es gibt keinen einzigen Regierungssoldaten mehr in der Stadt", sagte ein Bewohner von Goma der Nachrichtenagentur AFP am Telefon. Nach Angaben aus Militärkreisen zogen sich die Regierungstruppen in die Stadt Minova an der Grenze zu Süd-Kivu zurück. Damit war der Weg für die Rebellen des abtrünnigen Generals Laurent Nkunda nach Goma frei. Zuvor hatte ein Vertreter der Rebellenorganisation CNDP gesagt, dass Goma "binnen zwei oder drei Tagen" fallen werde.
Ein AFP-Reporter hörte Granatfeuer und Raketenbeschuss in der Gegend um Kibumba, 30 Kilometer nördlich von Goma. Am Vormittag beschossen erneut zwei MONUC-Hubschrauber Stellungen der Rebellen. Bereits am Dienstag waren Kampfhubschrauber der UN-Truppe im Einsatz, um den Vormarsch der Rebellen auf Goma zu stoppen. Nach Angaben der MONUC verteidigten Blauhelmsoldaten außerdem die Bevölkerung der Ortschaft Rutshuru gegen die Rebellen. Die kongolesischen Regierungstruppen hätten das 75 Kilometer nördlich von Goma gelegene Dorf bereits verlassen, sagte MONUC-Sprecher Oberst Samba Tall.
"Die Lage in Goma ist Besorgnis erregend", sagte Ban am Rande einer Flüchtlingskonferenz in der philippinischen Hauptstadt Manila. Er sei "zutiefst besorgt" über die zivilen Opfer und die zunehmende Zahl von Flüchtlingen im Osten des Kongos. Hunderte Flüchtlinge aus Nord-Kivu überquerten nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) seit Dienstag die Grenze nach Uganda. "Hunderte weitere sind wahrscheinlich noch auf dem Weg", sagte die örtliche UNHCR-Sprecherin Roberta Russo.
Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana rief Rebellenführer Nkunda zur "größtmöglichen Zurückhaltung" auf. Der EU-Kommissar für Entwicklungshilfe, Louis Michel, wollte noch am Mittwoch zu einem zweitägigen Besuch im Kongo eintreffen, um sich ein Bild von der Lage zu machen.
Die Auswärtige Amt in Berlin warnte, das Elend der ohnehin notleidenden Bevölkerung werde durch die Kämpfe weiter vergrößert. "Wir erwarten, dass jegliche Gewalt gegen unschuldige Zivilisten aufhört", sagte ein Sprecher.
Die kongolesische Regierung wirft dem Nachbarland Ruanda die gezielte Unterstützung der CNDP-Rebellen vor. Ruandas Präsident Paul Kagame empfing am Mittwoch in der Hauptstadt Kigali eine Delegation seines kongolesischen Kollegen Joseph Kabila. Nach Berichten des ruandischen Staatsradios brachten die Gesandten den Vorschlag eines Gipfeltreffen vor. Kagame lehnte dies demnach mit der Begründung ab, der Konflikt sei eine innere Angelegenheit des Kongo.
Anfang des Jahres hatten sich Regierung und Rebellen bei einer Friedenskonferenz in Goma auf ein Waffenstillstandsabkommen geeinigt. Die Kämpfe waren Ende August wieder aufgeflammt.