Hauptaktionär Porsche wirft Aktien von Volkswagen auf den Markt. So soll der chaotische Börsenhandel im Dax entspannt werden. Dort boten Händler zuletzt astronomische Summen je VW-Aktie – zeitweise mehr als 1000 Euro. Die Deutsche Börse reagiert auf Kritik: Sie stutzt die Bedeutung des Wertpapiers im Index.
Porsche will weitere Turbulenzen des VW-Aktienkurses verhindern. Deshalb bringt der Stuttgarter Sportwagen-Bauer eigene Volkswagen-Aktien auf den Markt. Wie das Unternehmen mitteilte, sollen je nach Marktlage Kurssicherungsgeschäfte in Höhe von bis zu fünf Prozent der VW-Stammaktien aufgelöst werden. Nach gewaltigen Kurssprüngen bis auf mehr als 1000 Euro war VW am 28. Oktober zeitweise das teuerste Unternehmen der Welt.
Anleger hatten Porsche vorgeworfen, zuvor durch eine Ankündigung den Kurs manipuliert zu haben. Der Konzern hatte verkündet, dass der Anteil an Volkswagen auf 42,6 Prozent erhöht wurde und das Unternehmen zudem noch 31,5 Prozent an VW in Form von Optionen kontrolliert. Insgesamt hat Porsche also 74,1 Prozent der Anteile in der Hand.
Damit wurden die Leerverkäufer - an der Börse auch Shortseller genannt - kalt erwischt. Nach Informationen aus dem Markt waren an sie 12 bis 15 Prozent der VW-Anteile verliehen gewesen. Diese Aktien mussten zur Rückgabe wiedergekauft werden. Abzüglich der gut 20 Prozent, die beim Land Niedersachsen liegen, standen den Spekulanten dafür aber nur noch knapp sechs Prozent der Anteile zur Verfügung. Sie mussten deshalb bereit sein, extrem hohe Preise je Aktie zu zahlen.
Der einflussreiche Chef der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS, Klaus Kaldemorgen, warf Porsche wegen des Börsen-Chaos in einem Interview der „Financial Times Deutschland“ vor, „in unverantwortlicher Art und Weise“ den VW-Kurs zu manipulieren. „Alle spielen mit offenen Karten, nur einer spielt mit verdeckten“, sagte Kaldemorgen. Porsche hatte betont, das Unternehmen habe keine Aktien an Leerverkäufer verliehen.
Am Vortag zwang die Kursentwicklung Händlern zufolge auch zahlreiche Investoren, die nicht an Leerverkäufen beteiligt waren, VW-Aktien zu kaufen - zum Beispiel Fonds, die ihre Performance am Dax messen. Das VW-Papier machte zeitweise ein Drittel des gesamten Dax-Wertes aus. Andere Dax-Aktien seien deshalb zum Teil ohne Rücksicht auf Verluste verkauft worden, nur um Aktien von Volkswagen finanzieren zu können, hieß es.
Angesichts der Kurskapriolen reagierte dann die Deutsche Börse. Sie stuft ab Montag, dem 3. November den Anteil des Autobauers im deutschen Leitindex Dax zurück. Die Volkswagen-Stammaktien sollen zu Handelsbeginn am Montag maximal ein Gewicht von zehn Prozent haben, „sofern sie diese Schwelle mit Abschluss des Handels am Freitag“ überschritten. Das entschied die Börse bei einer außerordentlichen Anpassung des wichtigsten deutschen Börsenbarometers.
Das Börsenbarometer Dax soll eigentlich den Wert der 30 bedeutendsten deutschen Aktiengesellschaften repräsentieren. In der Regel wird die sogenannte Kappungsgrenze von maximal zehn Prozent pro Firma nur alle drei Monate kontrolliert, der massive Kursanstieg der VW-Aktie löste nun aber eine außerordentliche Anpassung aus. Sie erfolgte laut Börse im Rahmen der bestehenden Index-Regeln.
Zahlreiche Hedgefonds machten durch die Kursexplosion wohl insgesamt Milliardenverluste. Sie hatten auf sinkende Kurse gewettet. Nun hatten sie Schwierigkeiten, ihre von anderen Investoren ausgeliehenen und dann verkauften Aktien zurückzuerwerben. Dies trieb die Kurse unabhängig vom fundamentalen Wert der Firma in astronomische Höhen.
Auch der Index-Anbieter Stoxx entschied, den Anteil von Volkswagen in seinen Indizes wie dem Euro Stoxx 50 zu reduzieren. Für die Berechnungen werde von Freitag an unterstellt, dass der frei handelbare Anteil von Volkswagen-Stammaktien nur noch gut 37 statt bisher knapp 50 Prozent betrage. Obwohl die Indexüberprüfung normalerweise nur quartalsweise erfolge, hätten die Gremien des Unternehmens entschieden, nun eine Ausnahme zu machen. Der Euro Stoxx ist das wichtigste Börsenbarometer in der Eurozone.
Händler hatten von den Index-Betreibern Konsequenzen gefordert. Die Deutsche Börse sah zunächst aber keinen Handlungsbedarf. Es laufe alles nach den Regeln ab, man müsse den Markt gewähren lassen, sagte ein Sprecher. Die Aktie des Wolfsburger Autobauers war am 28. Oktober mit einem Aufschlag von knapp 82 Prozent bei 945 Euro aus dem Handel gegangen.