dpa-infocom - 16.10.2008 19:43
Frankfurt/Main (dpa) - Fahrgäste im Fernverkehr der Bahn müssen bis Ende kommender Woche mit überfüllten Zügen rechnen. Grund sind Sonderkontrollen für die Achsen der Hochgeschwindigkeitszüge ICE. Dadurch können nicht alle Züge im Einsatz sein, wie die Bahn am Donnerstag mitteilte.
Zuvor war erstmals seit dem Kölner Unfall vom 9. Juli ein Riss in der Radsatzwelle eines ICE gefunden worden. In Köln war ein Zug der Baureihe ICE-3 mit einem Achsbruch entgleist, niemand wurde verletzt, die Ursache für den Schaden ist noch nicht geklärt. Für das schwere ICE-Unglück in Eschede im Juni 1998, bei dem 101 Menschen getötet wurden, war auch ein Defekt am Rad verantwortlich.
Die zusätzlichen Ultraschall-Prüfungen der Radsatzwellen haben zu einem Engpass bei den Fahrzeugen geführt, berichtete Personenverkehrsvorstand Karl-Friedrich Rausch in Frankfurt. Bis Ende kommender Woche werden viele der sonst zweiteiligen ICE nur mit einer Einheit unterwegs sein. Zu Spitzenzeiten müssten Fahrgäste deshalb in den Wagen stehen, räumte Rausch ein. Platzreservierungen könnten verfallen, das Geld dafür werde erstattet. Der Bahnmanager bat die Kunden um Verständnis, man wolle jedes Risiko ausschließen.
Von den Einschränkungen betroffen sind die 130 Züge der Baureihen ICE-3 und ICE-T (mit Neigetechnik), die vor allem auf der Rheinschiene und der Strecke Hamburg-Berlin-Leipzig-München fahren. Zwischen Leipzig und Dresden wurden am Donnerstag ersatzweise Intercitys eingesetzt.
Bei einer routinemäßigen Ultraschall-Untersuchung sei in der vorigen Woche in der Achse eines ICE-T ein zwei Millimeter tiefer Riss entdeckt worden, berichtete Rausch. Seit Montag gelten deshalb für einen Teil der Achsen verkürzte Wartungsintervalle. Achsen aus bestimmten Stahl-Legierungen müssten jetzt alle 30 000 Kilometer per Ultraschall überprüft werden. Zuletzt wurden sie alle 60 000 Kilometer getestet, der Hersteller schreibt ein Intervall von 480 000 Kilometern vor.
Das Bündnis Allianz pro Schiene sieht keinen Grund, vor dem Bahnfahren Angst zu haben. Die Kontrolle habe «offenbar auch bei dem jetzt entdeckten Riss funktioniert», sagte Geschäftsführer Dirk Flege. Das Risiko, im Auto tödlich zu verunglücken, sei 42 mal höher als im Zug.
Bahnmanager Rausch sagte, weder für den Achsenbruch am 9. Juli in Köln, der einen ICE bei niedriger Geschwindigkeit entgleisen ließ, noch für den jetzt entdeckten Riss sei die Ursache eindeutig gefunden worden. Ein vorläufiger Untersuchungsbericht der Bundesanstalt für Materialprüfung enthalte jedoch den Hinweis, dass der Achsenbruch von Köln mit einem Herstellungsfehler zusammenhängen könnte.
Deshalb habe man in Abstimmung mit dem Eisenbahnbundesamt kürzere Kontrollintervalle festgelegt. Jeder ICE-3 und ICE-T müsse vorerst alle drei Wochen zur Prüfung. Die Untersuchungen würden jetzt Tag und Nacht vorgenommen. Ein Teil der Züge stehe deshalb tagsüber in der Werkstatt und könne nicht genutzt werden. Die Zusatzkontrollen sollen bis Ende nächster Woche beendet sein. Anfang 2009 würden für rund 2,5 Millionen Euro neue Prüfanlagen in Betrieb genommen, um den Bedarf besser bewältigen zu können.
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