Xanten (dpa) - Den «Barbaren» rechts und links des Niederrheins stockte vor fast zwei Jahrtausenden sicherlich der Atem. Geradezu gigantisch erhob sich die Basilika Thermarum, die Eingangshalle zur römischen Badeanlage der Colonia Ulpia Traiana, in den trüben germanischen Himmel.
Noch heute nötigt der Bau von den Dimensionen eines modernen, achtstöckigen Wohnblocks dem Besucher der Niederrheinstadt Xanten Bewunderung ab. Wiedererstanden sind - mit den Mitteln heutiger Architektur - wenigstens die äußeren Maße des antiken Super-Baus in Roms nördlicher Provinz. In der stahlgrauen, von senkrechten Fensterbändern gegliederten Basilika-Hülle mit ziegelrotem Satteldach hat das neue RömerMuseum von Xanten seine Heimat gefunden.
Vom 16. August an locken rund 2500 archäologische Fundstücke zur Ansicht eines halben Jahrtausends - von den spärlichen Resten eines vorchristlichen Bauernhofes über die ganze Vielfalt der Zeugnisse Roms am Rhein bis zum Untergang der Colonia im Ansturm fränkischer Völker. Eine frei von der Decke hängende Rampe, die sich luftig unter dem 24 Meter hohen Dach in die Höhe windet, hat das Kölner Architekturbüro Gatermann + Schossig für diese Zeitreise erfunden: Reizvolle Rundblicke durch die Jahrhunderte sind so in der 80 Meter langen und 20 Meter breiten Basilika jederzeit möglich.
Konsequent «karg» werden am historischen Ort für das vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) als Bauherrn getragene Museum keine augenschmeichlerischen Zugeständnisse in Form gewagter Rekonstruktionen gemacht. Die ganze Fülle und Vielfalt der Funde, Ton-Scherbenhaufen einer Lampenwerkstatt, historisch bedeutsame Grabsteine oder der «schwebende» Rest eines Römerschiffs, stehen im Mittelpunkt des 22,5 Millionen Euro teuren Museums. Es wird mit seinen Tast- und Geruchskästen voll antiker Scherben oder Gewürze aber auch zu einem «sinnlichen» Erlebnis.
«Schließlich will unser neues Haus keine Leistungsschau für Archäologen, sondern eine Ausstellung für ganz normale Leute bieten», erklärt Museumsdirektor Hans-Joachim Schalles. Und wo wäre man den «alten Römern» je näher als beim behutsamen Gang über eine dicke Glasscheibe, unter der im sorgsam konservierten Erdreich einer Römerstraße tiefe Karrenspuren, die Abdrücke von Kinderfüßen und genagelten Legionärs-Stiefeln die Zeiten überdauert haben?
Auf halber Rampen-Höhe gestattet ein Balkon den Blick hinunter auf die gut erhaltenen Fundamente der direkt benachbarten Thermen, die zu den besterhaltenen Römerbädern des Nordens gehören. Die Vitrine nebenan zeigt zarte Glasfläschchen für Badetinkturen oder Pinzetten zur gepflegten Ohr- und Nasenreinigung. Dass sich Roms Elite auch in der Provinz einzurichten wusste, belegen zudem kostbare Gläser, die großflächigen, ganz pompejanisch anmutenden Wandmalereien - oder die winzigen Knöchelchen eines antiken Schoßhündchens.
Der Fund einer reich verzierten Silberhaarnadel aus dem Besitz einer noblen Germanin auf dem Gelände der Colonia zeigt die Attraktivität der großen, von römischer, germanischer und gallischer Bevölkerung geprägten Stadt, in der - Statuetten und Steine beweisen es - zu vielen Göttern gebetet worden ist.
Natürlich war Roms Auftritt auf der historischen Bühne Germaniens in den Tagen des Augustus geprägt von militärischer Gewalt: Eine Galerie derber Legionärshelme begleitet zunächst den Rundweg, lateinisches, mithin «fremdes» Stimmengewirr der Eindringlinge ist aus verborgenen Lautsprechern zu hören. Viel später, um das Jahr 100 n. Chr. gründet Kaiser Traian die Colonia als eine der wichtigsten Römerstädte der Provinz: Rund 10 000 Menschen lebten dort, wo heute der Archäologische Park Xanten (APX) des rheinischen Landschaftsverbandes direkt unter der Grasnarbe die antiken Reste bewahrt, erforscht oder rekonstruiert. Das neue Museum soll «Herz» einer geplanten Park-Erweiterung sein, die künftig möglichst alle 73 Hektar der Römerstadt umschließt.
dpa-infocom - 29.7.2008 11:50
|