Regio
Aktuell
Montag, 13.05.2024, 09:10
Willkommen Gast | RSS

 Tipps, Trends und Aktuelles aus der Region

Hauptseite Registrieren Login
Menü
Kategorien der Rubrik
Regionews [354]
Globalnews [590]
Sport [14]
Mitteilungen [44]
Statistik

Insgesamt online: 2
Gäste: 2
Benutzer: 0
Hauptseite » 2009 » Januar » 23 » Wiesn-Besucher vertilgten falsche Bio-Hendl
Wiesn-Besucher vertilgten falsche Bio-Hendl
15:13
Welt Online, 23.01.2009
Ein Öko-Bauer und Vermarkter steht unter Verdacht. Er hat mutmaßlich Tausende Hähnchen und Puten konventionell gefüttert und teuer als Biofleisch verkauft – auch an die älteste Hendlbraterei auf dem Oktoberfest in München. Jetzt ermittelt die Staatanwaltschaft gegen den Hühnerzüchter.
Die Staatsanwaltschaft in Paderborn ermittelt gegen einen der größten Biogeflügel-Produzenten Deutschlands. Die Polizei in Bielefeld geht im Auftrag der Strafverfolger gegen Unternehmen von Berthold Franzsander vor. Er steht unter Verdacht, Masthähnchen und Puten mit konventionellem Futter aufgezogen und anschließend verbotenerweise als Bio-Geflügel verkauft zu haben.

Mehrere Tausend angebliche Bio-Hendl wurden von den Wiesn-Besuchern verspeist. Auch in Supermärkten und Bioläden angebotene Ware dürfte längst verzehrt worden sein. „Ich nehme stark an, dass die Produkte schon im Handel verkauft worden sind“, sagte der Oberstaatsanwalt.

Außerdem hat der verdächtige Biofleisch-Lieferant es mit der Dokumentation nicht so genau genommen. Aus Unterlagen, die im November 2008 sichergestellt wurden, gehe jedenfalls nicht im Detail hervor, welche Schlachttiere mit herkömmlichem Futter aufgezogen worden seien, sagte Babette Winter, Sprecherin des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) in Nordrhein-Westfalen. „Deswegen darf der Betrieb keine Öko-Produkte mehr vermarkten.“

Am 22. Januar untersagte das Amt dem Betreiber Franzsander den gesamten Bio-Handel; seit Dezember durfte er bereits kein eigenes Bio-Geflügel mehr verkaufen. Gefahr für Verbraucher bestand laut dem Amt nicht. Die Lebensmittel seien in Ordnung gewesen. „Aber das ist eben eine Täuschung der Verbraucher, das fällt unter Betrug“, sagte Winter. Schließlich hätten gutgläubige Kunden extra mehr Geld für das Fleisch ausgegeben. Beispiel Wiesn: Ein halbes Bio-Hendl mit Beilagen kostete dort knapp 15 Euro, konventionelle Hähnchen gab es für neun Euro.

Mitarbeiter des LANUV fanden bei einer Routinekontrolle im Futtermittelhandel Lieferlisten mit dem Namen Franzsanders darauf. Er bestellte demnach in großem Stil Soja und andere Futtersorten aus herkömmlichen Anbau. Dieses Futter kostete 2008 nach Branchenangaben rund 25 Euro je Doppelzentner – das ist nur die Hälfte dessen, was biologisches, ohne den Zusatz chemischer Hilfsmittel hergestelltes Geflügelfutter kosten würde. „Es ging insgesamt um über 960 Tonnen“, sagte Winter. Mit einer solchen Menge könnten theoretisch mehr als 300.000 Hähnchen zu 1,5 Kilo oder etwa 25.000 Zwanzig-Kilo-Puten aufgezogen werden.

Die Dimension macht den Fall zu einem der größten Biofleisch-Skandale in der Bundesrepublik. Hinzu kommt, dass der mutmaßliche Bio-Betrug die gesamte Branche erschüttert.

Denn Berthold Franzsander galt als Pionier der artgerechten Tierhaltung. Nie zuvor war er mit seinen Betrieben negativ aufgefallen. Stattdessen wurde er bisher als großes Vorbild gerühmt. Im Jahr 2000 landete er seinen bekanntesten Coup: den Liefervertrag mit der weltberühmten Oktoberfest-Braterei Ammer. Jetzt sagte Geschäftsführerin Claudia Trott der „taz“: „Wir sind erschüttert.“

Berthold Franzsander gilt als Bio-Pionier. Der Delbrücker zog laut dem Anbauverband Bioland jährlich 6000 Legehennen auf, 9000 Puten und 40.000 Masthähnchen. Hinzu kommt das Geschäft mit Gänsen, Enten und Eiern. Für andere Landwirte züchtete er Zehntausende Küken. Er hält die Fäden von mehreren Betrieben in der Hand. Der Händler belieferte – auch im Auftrag anderer Biobauern – bundesweit Bioläden und Supermärkte mit Fleisch, Wurst und Fertigprodukten. Für RoBert's Bio-Geflügel arbeiten rund 40 Menschen. Der Umsatz (2007) betrug 8,5 Millionen Euro jährlich. Zum Vergleich: Der führende Geflügelproduzent PHW (Wiesenhof) setzte zuletzt 1,6 Milliarden Euro um (2006/2007). oht

Mit einem Schlag brachte Franzsander sich um seinen guten Ruf. „Niemand redet mehr mit ihm“, sagte Thomas Dosch, Präsident von Bioland. Sein Verband kündigte dem Ostwestfalen die Mitgliedschaft. Aber mit ihm verliert die Öko-Organisation einen ihrer wichtigsten Geschäftspartner.

Die Handelsgesellschaft RoBert’s verkaufte nicht nur Fleisch aus eigener Produktion, sondern vermarktete zentral die Waren kleinerer Biobauern. Damit, so Dosch, schufen Bioland-Mitglieder ein Gegengewicht zur traditionellen Geflügelindustrie in Deutschland. "Die hat sich immer mehr in die Bio-Branche eingekauft“, berichtete der Verbandschef.

Um den Vertrieb von Öko-Lebensmitteln in Deutschland ist ein Kampf ausgebrochen. Dort lässt sich mehr verdienen als mit dem Verkauf herkömmlicher Produkte. So versuchen mehrere Händler, in die Fußstapfen Franzsanders zu treten und den Biobauern neue Abnehmerverträge anzubieten. Bioland wiederum unterstützt ehemalige Mitarbeiter des geschassten Bio-Pioniers aus Delbrück. Sie wollen einen neuen Öko-Geflügelvertrieb hochziehen.

Franzsander entschuldigte sich bei Abnehmern und Lieferanten schriftlich. Er könnte selbst in Geldnot gekommen sein, mutmaßen Branchenkenner. Der Bio-Veteran suchte übers Internet noch nach privaten Geldgebern. Er war für einen Öko-Unternehmer groß im Geschäft, doch das Preisdiktat der Handelsketten könne nötige Überschüsse zunichte machen, sagte ein Geschäftspartner des Bauern. Der hat wohl hingeschmissen. Sein Hof war zuletzt abgesperrt.

Für eine Stellungnahme war Franzsander nicht zu erreichen. Der „taz“ sagte der Beschuldigte, dass die Vorwürfe aus seiner Sicht nicht haltbar sind. Er will Jungputen lediglich zeitweise mit konventionellem Futter versorgt haben, da sie sein Bio-Futter nicht annehmen wollten und sonst verstorben wären. Das kann vorkommen. Puten brauchen viel Eiweiß bei der Aufzucht. Die Richtlinien von Bioland und der EU berücksichtigen das Problem: Bis zu 15 Prozent konventionelles Futter lässt die EU als Beimischung zu. Bioland gestattet bestimmte herkömmliche Eiweißfuttermittel.

Auch die Notfütterung ausschließlich mit konventionellem Futter ist Öko-Bauern zeitweise erlaubt. Aber der Landwirt hätte es dem Landesumweltamt vorher melden müssen. Die Amtssprecherin berichtete, dass die Prüfer im vergangenen November während einer dreitägigen Prüfung mehrere Rechnungen von verschiedenen Futterlieferanten fanden. Und da ist jene große Menge von 960 Tonnen, die für einen ganzen Großbetrieb ausgereicht hätte. Jetzt stellte die Behörde fest, dass Franzsander immer noch tiefgekühltes Geflügel mit Bio-Siegel vermarktet habe. Deshalb entzog das Landesamt schließlich die Handelslizenz.

Umweltschützer bescheinigen der Behörde konsequentes Durchgreifen. Einzige Kritik: „Jetzt ist endlich passiert, was wir seit Wochen gewünscht hätten“, sagte Friedrich Ostendorff, Agrarexperte der Umweltorganisation BUND. Schon vor Weihnachten 2008 waren die Vorwürfe in der Region bekannt. Mancher angebliche Bio-Braten wäre dann gar nicht erst als Festtagsessen auf der Speisetafel gelandet.

Bioland hat weitere Lehren aus dem Skandal gezogen. Statt pro Jahr einer angemeldeten Kontrolle der Mitgliedsbetriebe soll es ab sofort zwei Überprüfungen geben. Hinzu kommen unangemeldete Stichproben der beauftragten privaten Kontrollfirmen. Nach Angaben seines ehemaligen Verbands hatte Berthold Franzsander nebenbei noch konventionell Geflügel gehalten und verkauft – ohne das mit Bioland abzuklären. Präsident Dosch sagte: „Er hat eigentlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann.“

Mehr zum Thema

     
Kategorie: Globalnews | Aufrufe: 1128 | Hinzugefügt von: regioblitz | Rating: 0.0/0 |
Kommentare insgesamt: 0
Nur registrierte Benutzer können Kommentare hinzufügen.
[ Registrieren | Login ]
Einloggen
Suche
Kalender
«  Januar 2009  »
Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.
   1234
567891011
12131415161718
19202122232425
262728293031
Archiv der Einträge
Freunde
Kostrov © 2024
Homepage Baukasten - uCoz