Baden-Württembergs Justizminister hält das Rätsel um das "Heilbronner Phantom" für gelöst. Wahrscheinlich steckt hinter der vermeintlichen Serienverbrecherin lediglich eine Wattestäbchen-Panne. Nun muss die Polizei ihre Materialbestände durchforsten. Und Kriminalbeamte fordern ein Gütesiegel für DNA-Analysen.
Die an Dutzenden Tatorten gefundenen DNA-Spuren des „Phantoms von Heilbronn“ stammten vermutlich nicht von der angeblichen Serientäterin und Polizistenmörderin, sondern seien eher auf Verunreinigungen von Wattestäbchen der Spurensicherung zurückzuführen: Dies habe „eine hohe Plausibilität“, sagte Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP). Er stelle sich darauf ein, dass es tatsächlich so war. „Das hätte natürlich nicht passieren dürfen“, sagte Goll
Die Polizei in Baden-Württemberg will nun alle Wattestäbchen für die Spurensicherung in ihren Lagern überprüfen. Denn verunreinigte Wattestäbchen könnten die Ursache für die vielen DNA-Treffer an Dutzenden Tatorten sein, die der angeblichen Serienverbrecherin und Heilbronner Polizistenmörderin zugeschrieben wurden.
„Es sind allein einige tausend bei uns in Baden-Württemberg, die auf eine mögliche Verunreinigung hin überprüft werden“, sagte der Sprecher des Landeskriminalamts (LKA) in Stuttgart, Horst Haug. Mitarbeiter der Firma, von der aus die Wattestäbchen in Umlauf gebracht wurden, sollen Speichelproben abgeben.
Die bereits vorhandenen Wattestäbchen werden zur Spurensicherung nicht mehr eingesetzt. Die Polizei ermittelt auch bei allen mit dem Wattestäbchenhersteller beteiligten Firmen. „Wir versuchen die Herstellungswege und -stationen der Wattestäbchen nachzuvollziehen. Die Komponenten stammen nicht vom ein- und demselben Hersteller“, sagte Haug.
Als Reaktion auf die mögliche Verunreinigung fordert der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) Konsequenzen. Es solle eine Art Gütesiegel eingeführt werden, um die Möglichkeit von Falschanalysen wegen Verunreinigungen auszuschließen. „Die Hersteller sollten den Packungen DNA-Merkmale der beteiligten Mitarbeiter als Code beilegen“, sagte BDK-Sprecher Bernd Carstensen den „Stuttgarter Nachrichten“ zufolge, „damit könnte diese Spur gleich ausgeschlossen werden.“
Was gehört überhaupt ins Reagenzglas?
Auch bei der Sicherung von Fingerspuren seien in der Vergangenheit Merkmale des sachbearbeitenden Polizisten vermerkt worden, um nicht versehentlich nach eigenen Leuten zu fahnden. Dass mit den immer besseren Methoden des genetischen Fingerabdrucks auch Gefahren von Fehlern heraufbeschworen werden, hatte der BKA-Experte und Serologe Hermann Schmitter dem Blatt zufolge bereits vor einiger Zeit festgestellt. „Die Untersuchungsmethoden sind derart verbessert und empfindlich geworden, dass sich die Frage stellt, was überhaupt spurenrelevant ist.“ Die wesentliche Arbeit im Labor sei nicht, alle gefundenen Spuren auszuwerten, sondern zu klären, „was überhaupt ins Reagenzglas gehört.“
Die Polizei vermutete bislang, dass eine Serienverbrecherin Ende April 2007 in Heilbronn eine 22 Jahre alte Polizistin kaltblütig erschossen hat. Für ihre Ergreifung wurde eine Belohnung von 300.000 Euro ausgesetzt. In dem seit jeher mysteriösen Fall räumte die Polizei schon seit einiger Zeit ein, zunehmend ratloser zu sein. An mindestens 40 verschiedenen Tatorten in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Österreich waren die DNA-Spuren des „Phantom“ gefunden worden. Die Spur der Gewalt geht bis in das Jahr 1993 zurück.
Wie die Heilbronner Anklagebehörde berichtete, geht das LKA seit April 2008 in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt (BKA), den Landeskriminalämtern Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und dem Landeskriminalamt Oberösterreich der Möglichkeit einer Fremdverunreinigung nach. Im Kriminaltechnischen Institut des LKA seien mehrere hundert unbenutzte Wattestäbchen als sogenannte Leerproben untersucht worden. „Diese Untersuchungen verliefen ohne Ergebnis und ergaben keinen Hinweis auf Fremdkontaminationen“, heißt es in der Mitteilung.