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Hauptseite » 2009 » März » 20 » "Der hässliche Deutsche" - Die Schweiz und die Hassfigur Peer Steinbrück
"Der hässliche Deutsche" - Die Schweiz und die Hassfigur Peer Steinbrück
13:21
Welt Online, 18.03.2009

Der Bundesfinanzminister und die Schweizer werden wohl keine Freunde mehr. Erst drohte Peer Steinbrück ihnen mit der Peitsche, jetzt verglich er sie mit Indianern. Politiker und Presse schäumen. Der Deutsche hat alle Chancen, im Nachbarland zur Hassfigur zu werden. Doch sein Verhalten verfolgt ein Ziel.

Auf dem aktuellen Titelblatt der Schweizer Boulevardzeitung "Blick am Abend" starrt Peer Steinbrück (SPD) den Lesern grimmig entgegen. Die Mundwinkel sind nach untern gezogen, der Blick ist durchdringend in die Ferne gerichtet. Neben dem Bild prangt in schwarz-rot-goldenen Lettern die Zeile: "Der hässliche Deutsche". Im Text zu diesem Titelbild wird der Bundesfinanzminister als einer "der meistgehassten Menschen in der Schweiz" bezeichnet. Peer Steinbrück scheint auf bestem Wegen, für die Nachfahren von Wilhem Tell das zu werden, was die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach (CDU) für viele Polen ist: ein Feindbild, an dem man sich abarbeiten kann.

Tatsächlich gibt der deutsche Finanzminister den Schweizern allen Grund, sie gegen sich aufzubringen. Am Rande des Treffens der Finanzminister der G-20 in London hatte Steinbrück am Wochenende die Schweiz mit Indianern verglichen, die aufgescheucht werden müssten. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) droht seit Längerem mit einer Schwarzen Liste, auf der Steuerparadiese aufgeführt werden sollen, die international nicht kooperieren. Steinbrück zählt dazu offenkundig die Schweiz und verglich die Androhung einer solchen Liste gegenüber dem Nachbarn mit der „siebten Kavallerie vor Yuma“, die man auch ausreiten lassen könne. „Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt.“ Steinbrücks Äußerungen über die Finanzkavallerie und die Indianer waren vom Schweizer Fernsehen (SF) aufgezeichnet worden.

 

Der Indianer-Vergleich sorgte für empörte Stimmen. Der Schweizer CVP-Ständerat Bruno Frick sprach von einem grässlichen Bild. In den USA seien Hunderttausende von Indianern durch die Kavallerie niedergemetzelt worden. Aus dem Mund eines Deutschen sei das ein ungeheures Wort, das wir in der Schweiz in keiner Weise, niemals, akzeptieren müssen“, tobte Frick. Maximilian Reimann (SVP) schimpfte Steinbrück einen "Steuerwüstenminister“ und "ungehobelten Kerl“. Und Rolf Schweiger (FDP) höhnte: „Ich befürchte (...), dass dem deutschen Finanzminister ein Stein aus der Brücke fallen könnte, wenn ich sage, dass es im Wilden Westen auch anderes gegeben hat. Es gab Maulhelden (...)“.

Aus Verärgerung über Steinbrück wurde am Dienstag der deutsche Botschafter Axel Berg ins Schweizer Außenministerium einbestellt. Es ist das zweite Mal innerhalb eines halben Jahres, dass Berg sich für Äußerungen Steinbrücks rechtfertigen muss. Die Schweizer Regierung wirft dem Finanzminister in der aktuellen Debatte über ein schärferes Vorgehen gegen Steuerflüchtlinge aggressives und beleidigendes Verhalten vor.

Im Herbst hatte Steinbrück der Schweiz schon mit der "Peitsche" gedroht, falls sie im Streit um Steuerflucht und Bankgeheimnis nicht einlenke, und hatte schon damals einen regelrechten Volkszorn bei den Eidgenossen entfacht. Das Schweizer Bankgeheimnis wird bislang nur bei Straftaten außer Kraft gesetzt. Steuerhinterziehung ist in der Schweiz jedoch kein Verbrechen. Strafbar ist nur der Steuerbetrug, bei dem aktiv Dokumente gefälscht werden. Das Land biete damit Konditionen an, die deutsche Steuerzahler dazu bringen, Steuern zu hinterziehen, hatte Steinbrück seine Replik begonnen und geklagt: "Wir können in Deutschland Steuerbetrug nicht nachweisen, weil uns die Schweiz die Informationen dazu vorenthält." Deshalb müsse Deutschland statt zum Zuckerbrot "auch zur Peitsche greifen". Seitdem trägt er in der Schweiz den Spitznamen "Peitschen-Peer".

Die Schweizer Außenministerin Calmy-Rey, eine Sozialdemokratin wie Steinbrück, verbat sich schon damals "diesen Tonfall", und erinnerte daran, dass Steinbrück mit den Schweizern nicht zu reden habe, als ob sie Kinder seien.

Der neuerliche Ausfall des Norddeutschen scheint auf den ersten Blick unverständlich. Vor wenigen Tagen hatte die Schweiz auf den internationen Druck hin eine Lockerung ihres Bankgeheimnisses in Aussicht gestellt. Das Land will künftig verstärkt Informationen mit anderen Staaten austauschen, um gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. Das war in Deutschland auch positiv bewertet worden. Die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey will in den nächsten Tagen europäische Staaten über die Entscheidung des Bundesrats zum Bankgeheimnis informieren. Zudem ist die OECD nach einem Bericht der Schweizer Zeitung "Tages-Anzeiger“ bereit, das Projekt einer Schwarzen Liste angesichts der Bemühungen der Schweiz und anderer Länder zu überarbeiten. Dies habe OECD-Generalsekretär Angel Gurria Vertretern Österreichs, Luxemburgs und der Schweiz in der vergangenen Woche zugesichert.

Möglicherweise sind Peer Steinbrück mit der Freude über das Einknicken der Schweiz die Pferde durchgegangen. Die Schweizer Regierung wirft dem Finanzminister dennoch aggressives und beleidigendes Verhalten vor.

Für mehr Gelassenheit im Umgang mit Peer Steinbrück plädiert indes die liberale "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ). Noch im Oktober hatte die angesehene Zeitung unter dem Titel "Wer mit der Peitsche droht, der sieht im andern den Knecht" kommentiert: "Unschwer lässt sich vorstellen, wie die Polen reagieren würden, wenn ihnen ein deutscher Minister mit der Peitsche drohte." Mit solchen Worten traktiere man allenfalls eine Bananenrepublik.

Nun schreibt die NZZ über die neuen Äußerungen: „Peer Steinbrück hat mit seinen törichten Sprüchen die offizielle Schweiz und viele Bürger brüskiert und einen diplomatischen Streit provoziert. So unsäglich seine Entgleisungen sind – als Feindbild eignet sich Steinbrück dennoch nicht. Der Finanzminister hat seine Meriten. Hohen Sachverstand attestieren ihm praktisch alle (...) Auch dass er wenig auf die Meinung der Medien gibt, ist im Zeitalter des Boulevards und der Fernseh-Talkshows geradezu wohltuend. Es stünde der Schweiz deshalb gut an, die Breitseiten des Hamburgers gelassen aufzunehmen, dafür aber verbal umso härter zurückzuschießen. Man verträgt das in Deutschland, ja man hat davor Respekt.“

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