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Krach in der Koalition: SPD-Führung geht frontal auf Merkel los
13:25
Welt Online, 19.03.2009
Die Spitze der SPD hat Kanzlerin Merkel mit Kritik überschüttet. SPD-Chef Müntefering und Kanzlerkandidat Steinmeier warfen der Kanzlerin Unglaubwürdigkeit vor. Sie taktiere statt zu handeln und betreibe ein übles Spiel mit den Arbeitslosen. Schon jetzt warnte Müntefering: Im Bundestagwahlkampf "gibt es Krach."
Die SPD-Führung überschüttet ihren Koalitionspartner Union mit Kritik. Unmittelbar vor der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Bewältigung der Finanzmarktkrise am Donnerstag attestierten sowohl SPD-Chef Franz Müntefering als auch Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier der Kanzlerin Unglaubwürdigkeit.
Merkel mache sich international für Schritte stark, die sie im eigenen Land nicht durchsetze. Besonders verärgert zeigten sich die Sozialdemokraten, weil die Union das Gesetz von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) zur Bekämpfung von Steueroasen und Steuerflucht blockiert und eine Neuregelung für die Betreuung von Arbeitslosen in Jobcentern verhindert hat.
Müntefering sagte: „Da nutzt keine Regierungserklärung, da nutzen keine Gipfelserien, wenn man nicht mehr mitzieht, sobald es konkret und ernst wird.“ Eine weitere Verschiebung des Gesetzes gegen die Steuerflucht sei nicht akzeptabel. „Sollte die Union da hinhaltend taktieren, gibt es Krach“, drohte er. Wenn die Entscheidung jetzt nicht durchgezogen werde, „führen wir die Debatte darüber, dass die Union die Steuerhinterzieher schonen will“, kündigte Müntefering an. Es gehe um zweistellige Milliardenbeträge.
Steinbrück sagte: „Wenn der Kampf gegen Steuerhinterzieher mehr sein soll als eine Floskel, brauchen wir national wie international mehr Druck.“ Falls die Union dabei nicht mitmachen wolle, werde die SPD das im Wahlkampf thematisieren.
Kanzlerkandidat Steinmeier sagte bezogen auf Merkel: „Wer international Forderungen stellt, der muss sie zu Hause auch durchsetzen.“ Wer glaube, die Wirtschaftskrise sei nur ein Betriebsunfall, irre gewaltig. Sie sei vielmehr „ein historischer Einschnitt, der unser Denken und Handeln in vielen Dingen des Lebens verändern wird“. Die Regierung müsse dafür sorgen, dass so etwas nicht noch einmal passieren könne. „Das verlangt mutige Führung. Ohne Rückzieher bei Managergehältern, bei der Neuordnung der Finanzmärkte oder dem Austrocknen von Steueroasen“, sagte Steinmeier.
Müntefering kritisierte zudem Aussagen der Kanzlerin, man müsse nach den Rettungsmaßnahmen für die Wirtschaft zu den bewährten Strukturen zurückkehren. „Eine Rückkehr zur vermeintlich guten, alten Zeit, zu den alten Strukturen, die die Krise erst ermöglicht haben, wäre aber eine absolute Katastrophe“, sagte er. Stattdessen müsse man die internationalen Finanzmärkte anders organisieren. „Ich zweifle daran, ob Frau Merkel wirklich die soziale Marktwirtschaft will und nicht bloß die neue Marktwirtschaft“, sagte er. Jetzt gehe es darum, den modernen Kapitalismus „so zu bändigen, dass das große Geld nicht mit Gesellschaft und Politik spielen kann“.
Das Verhalten der Kanzlerin beim Thema Jobcenter nannte Müntefering eine schwere Niederlage für Merkel. Die CDU-Chefin hatte am Dienstag in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wie die meisten Abgeordneten gegen einen gemeinsamen Vorschlag von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) und mehrerer Ministerpräsidenten gestimmt, die Jobcenter über eine Verfassungsänderung abzusichern, obwohl das CDU-Präsidium für die Lösung war. „Die Kanzlerin hat gegen sich selbst gestimmt“, sagte Müntefering dazu. „Gerhard Schröder wäre so etwas nie passiert. Der hätte einen Tisch umgeschmissen oder so irgendetwas, aber nie gesagt, dann stimme ich halt mit euch gegen meine eigene bisherige Position und Überzeugung.“ Merkel sei nur noch „Geschäftsführerin“ der Bundesregierung.
Steinmeier warf der Union vor, sie betreibe mitten in der Wirtschaftskrise ein übles Spiel mit Arbeitslosen. Die Beschäftigte in den Arbeitsagenturen oder Jobcenter sollten Arbeitslosen Arbeit vermitteln, sich aber nicht den Kopf zerbrechen müssen, ob es ihre Behörde im nächsten Jahr noch gebe und was dann aus ihnen selbst werde. „Viele Leistungsträger in den Jobcentern wechseln wegen der Unsicherheit schon den Job“, fügte er hinzu.