Welt Online, 18.03.2009
Nach wochenlangem Gezerre um das Zentrum gegen Vertreibungen hat Angela Merkel den Bund der Vertriebenen (BdV) besucht. Sie gab sich betont freundlich – und BdV-Präsidentin Erika Steinbach sparte ebenfalls nicht mit warmen Worten. Dennoch gab es an diesem Abend auch eine politische Kampfansage.
Sie habe sich immer für das „Zentrum gegen Vertreibungen“ eingesetzt, versicherte die Kanzlerin, „schon zu Oppositionszeiten“. Und die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) bestätigte die engen Bande. „Die deutsche Bundeskanzlerin steht ganz fest an unserer Seite, und dafür bedanke ich mich sehr.“
Heftiger Beifall brandete auf, in beiden Fällen. Und Angela Merkel und Erika Steinbach lachten einander an, ganz entspannt und gelöst, beim Jahresempfang der Vertriebenen am Dienstagabend im Berliner „Opernpalais“ Unter den Linden.
Dabei hatte es wochenlang Irritationen gegeben und Zweifel am engen Schulterschluss zwischen der CDU-Kanzlerin und dem BdV. Als aus der polnischen Regierung und der SPD-Spitze Steinbach das Recht abgesprochen wurde, in den Beirat der aus ihrer Initiative entstandenen Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ zu gehen, habe sich Merkel nicht deutlich an ihre Seite gestellt, kritisierten Unions-Konservative und Vertriebene.
Wohl auch darum war Merkel bereits zum dritten Mal der Einladung des BdV gefolgt. Das habe kein Kanzler zuvor getan, hob Steinbach hervor. Und Merkel wiederum lobte in ihrem Grußwort die Arbeit Steinbachs. Man sei sich immer einig gewesen, dass es bei der Dokumentation der Vertreibung „um ein Projekt der Versöhnung“ gehe, sagte die Kanzlerin und CDU-Chefin.
Sie unterstrich, dass jeder Verband das Recht habe, seine eigenen Kandidaten in den Beirat der Stiftung zu schicken. Ohne die SPD zu attackieren setzte Merkel hinzu, die Realisierung dieses Rechts sei derzeit „außergewöhnlich schwierig, ich sage: nicht möglich“.
Darum rühmte Merkel die Entscheidung der Vertriebenen, „die Ihnen Schmerzen verursacht“, einen der Stühle im Beirat frei zu lassen. Die Thematisierung der Vertreibung für die Öffentlichkeit werde dadurch möglich. Zuvor hatte Steinbach mit einem jähen Wechsel von der Bergpredigt zu einer politischen Kampfansage ihr Konzept des „leeren Stuhls“ erklärt. „Uns Christen ist es auf den Weg gegeben“, sagte die Vertriebenenchefin, „wenn man einen Schlag auf die eine Wange erhält, auch noch die andere zur Verfügung zu stellen.“
Kurze Pause. „Ich gestehe, so weit bin ich noch nicht gereift.“ Es werde vermeldet, „dass ich nach heftiger Kritik an meiner Person aus Polen, aber auch aus den Reihen der SPD auf einen Sitz in der Stiftung ‚Flucht, Vertreibung, Versöhnung’ verzichtet habe“. Da muss jemand etwas wirklich falsch verstanden haben. „Denn“, so Steinbach, „der Stuhl bleibt ausschließlich deshalb vorläufig frei, weil die SPD klipp und klar erklärt hat, dass sie den Vorschlag des BdV im Kabinett nicht akzeptieren wird.“ Das widerspreche dem Recht. Und weiter: „Wir behalten uns jederzeit vor, eine Wiederbesetzung für den jetzt freien Stuhl vorzunehmen.“
Steinbach hatte Merkel zu Beginn der Veranstaltung erst nach einer ganzen Zahl von Ehrengästen willkommen geheißen. Sie habe sich „als Kind beim Essen das Beste immer bis zum Schluss aufgehoben, und sie kultiviere „diese Eigenschaft bis heute“, erklärte die BdV-Chefin diese Reihenfolge.
Ihrem umfassenden Lob für Merkel („Ohne Ihr Wollen und ohne Ihre Solidarität gäbe es die Stiftung ‚Flucht, Vertreibung, Versöhnung’ nicht“) fügte Steinbach gleichwohl den Hinweis auf die Irritation der Basis an. Aus fast 2000 Anschreiben, sagte Steinbach, habe sie „die Erkenntnis, dass vielen Menschen die Solidarität der deutschen Bundeskanzlerin mit den deutschen Vertriebenen nicht bekannt ist“. Das aber, versicherte sie, sei ein falscher Eindruck.
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