dpa, 17.03.2009
Der zweite Verhandlungstag war der Tag des Opfers. Zwölf Geschworenen sahen Teile der auf Video aufgezeichneten Aussagen der Fritzl-Tochter E., die von ihrem Vater 24 Jahre lang gefangen gehalten und vergewaltigt worden war. In einer Pause lüftete er den Aktenordner, mit dem er bislang sein Gesicht verborgen hatte:
Das Urteil gegen den geständigen Inzest-Täter von Amstetten, Josef Fritzl, wird voraussichtlich bereits am Donnerstagnachmittag gesprochen, einen Tag vor dem ursprünglich geplanten Prozessende. Dies gab der stellvertretende Gerichtspräsident Franz Cutka vor Journalisten bekannt. Nach seinen Angaben konnte das Gericht das Abspielen der auf Video aufgezeichneten Aussagen von Fritzls Tochter E. am Abend abschließen. Die Videobänder mit der Aussage Elisabeths und auch der eines ihrer Brüder seien stückweise abgespielt und Fritzl jeweils dazu befragt worden, erklärte Cutka.
Die zwölf Geschworenen sahen weitere Teile der auf Video aufgezeichneten Aussagen der Fritzl-Tochter E. Die Öffentlichkeit war wegen der sehr persönlichen Details in ihrer Aussage von der Verhandlung ausgeschlossen. Erstmals zeigte der Angeklagte am zweiten Verhandlungstag der Öffentlichkeit auch sein Gesicht, wenn auch ganz unfreiwillig.
Der stellvertretende Gerichtspräsident Franz Cutka schloss unterdessen nicht aus, dass das Urteil in dem aufsehenerregenden Prozess bereits an diesem Donnerstag gesprochen werden kann. Fritzl droht eine lebenslange Gefängnisstrafe, wenn er des Mordes für schuldig befunden wird. In diesem Punkt hat er sich allerdings „nicht schuldig“ bekannt.
Wie der 73-Jährige auf die Aussagen seiner Tochter reagierte, wurde nicht bekannt. In der Pause wirkte der Mann unbewegt. „Weil die Öffentlichkeit aus diesem Teil des Verfahrens gesetzlich ausgeschlossen ist, dürfen wir keinerlei Details bekanntgeben“, sagte Fritzl-Verteidiger Rudolf Mayer dem österreichischen Fernsehen ORF. Der Angeklagte sei der Vorführung „aufmerksam gefolgt“, über dessen Gefühlsregungen könne er nichts sagen.
Der Angeklagte selbst war wenige Minuten vor Verhandlungsbeginn aus dem benachbarten Untersuchungsgefängnis in den abhörsicheren Schwurgerichtssaal gebracht worden, wo sich das gleiche Schauspiel wie am Vortag abspielte. Fritzl – wieder ohne Handschellen – hielt einen geöffneten Aktenordner eng vor das Gesicht und blieb nahezu bewegungslos im Saal stehen, während ein Fotograf und zwei TV- Kameraleute versuchten, sein Gesicht aufzunehmen. „Er hat sich einfach geniert. Darum hat er nichts gesagt“, erläuterte Anwalt Mayer.
Stunden später verlor der Angeklagte allerdings sein Spiel mit den Medien. Auf dem Rückweg von der Mittagspause zum Gerichtssaal hatte er für einen Augenblick seine Aktenordner-Tarnung heruntergenommen. Genügend Zeit für einen der zugelassenen Fotografen, den mutmaßlichen Inzest-Täter zu fotografieren.
Dass der Prozess und die drohende Verurteilung nicht spurlos an dem 73-Jährigen vorübergegangen sind, bestätigte ein Sprecher der Justizvollzugsanstalt St. Pölten, in der Fritzl seit Anfang Mai 2008 auf seinen Prozess gewartet hat. Der Angeklagte habe nach dem ersten Verhandlungstag ein Gespräch mit einem Psychiater geführt und werde das auch nach dem zweiten Tag tun, sagte der stellvertretende Gefängnisleiter Erich Huber-Günsthofer.
Zu der Betreuung Fritzls zählt auch die psychiatrische Begleitung während der Urteilsberatung der Geschworenen und nach der Urteilsverkündung. Außerdem habe man Vorkehrungen gegen einen möglichen Suizidversuch getroffen, sagte der Beamte.
Bisher hat sich der 73-jährige vor Gericht allerdings „sehr kooperativ“ verhalten, sagte sein Verteidiger dem ORF- Fernsehen. Auch der Anwalt geht davon aus, dass das Verfahren „zügig“ zu Ende gehen werde. Er halte es sogar für denkbar, dass einige der vier Gutachten – vor allem die Expertisen zu den technischen Details des Keller-Verlieses – vor dem Gericht nur verlesen würden.
für das psychiatrische Gutachten, das Fritzl nach Berichten ein schwer abnormes Verhalten bescheinigt und deshalb die Sicherungsverwahrung für den Fall seiner Haftentlassung empfiehlt.
Fritzl wird beschuldigt, seine Tochter insgesamt 24 Jahre in einem fensterlosen Kellerverlies gefangen gehalten, sie tausendfach missbraucht und mit ihr sieben Kinder gezeugt zu haben.
Er habe zu allen Aussagen Stellung genommen. Die akkreditierten Journalisten aus aller Welt werden wieder zur Verhandlung zugelassen. Sie werden voraussichtlich auch während der Plädoyers und für die Urteilsverkündung im Gerichtssaal sitzen können, gab Cutka bekannt.
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