München (dpa) - Nicht mehr die Mädchen, sondern Jungen werden nach Ansicht von Bildungsforschern zunehmend zu Bildungsverlierern in Deutschland. Insbesondere das überwiegend weibliche Kollegium in Kindergarten und Grundschule wirkt sich negativ auf das Lernverhalten von Jungen aus.
Das geht aus einem Gutachten des «Aktionsrates Bildung» hervor. Die Politik müsse sich eine Angleichung des Geschlechterverhältnisses in allen Bildungseinrichtungen zum Ziel setzen und das sogenannte Gender-Bewusstsein in die pädagogische Ausbildung stärker einbeziehen, lautet eine Forderung der acht Bildungsforscher.
«Die Vermittlung von Kompetenzen für einen fachkundigen Umgang mit Geschlechterdifferenzen wird in der Ausbildung des pädagogischen Personals bisher noch vernachlässigt», lautet das Fazit der Experten verschiedener Hochschulen unter Vorsitz von Professor Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität Berlin und Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz.
Der Bildungsrat, der auf Initiative der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft 2005 zusammengetreten ist, veröffentlicht jährlich ein Gutachten zu einem bestimmten Bildungsthema. Grundlage der Analyse, die sich in diesem Jahr der Bildung geschlechterbezogen widmet und der Deutschen Presse-Agentur dpa vorab vorlag, ist die Auswertung der jüngsten internationalen Bildungs-Erhebungen PISA und IGLU sowie des Statistischen Bundesamtes und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Das komplette Gutachten sollte am Donnerstag in München präsentiert werden.
«Die noch vor 30 Jahren außerordentlich prekäre Situation von Mädchen und jungen Frauen kann heute schlicht nicht mehr konstatiert werden», bilanziert der Aktionsrat, wenn sich dies auch nicht bis in die Berufswahl fortsetze. Denn dort kämen - vielfach unbewusst auch an den Schulen untermauerte - traditionelle Rollen-Stereotypen weiterhin zum Tragen. Einen ähnlichen Hintergrund vermuten die Bildungsforscher für das noch immer geringe Selbstbewusstsein vieler Mädchen bei Mathematik und den Naturwissenschaften. Im Gegensatz dazu sind Mädchen im Alter von 15 Jahren den Jungen bei der Lesekompetenz im Schnitt um ein volles Schuljahr voraus.