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Hauptseite » 2009 » März » 12 » Der Amoklauf des Tim K. - War es Hass auf Mädchen?
Der Amoklauf des Tim K. - War es Hass auf Mädchen?
09:30
AFP/MSN/Welt Online, 12.03.2009

WINNENDEN, 12. März - Das Grauen wird von einem Jungen ausgelöst, der bis dahin als unauffällige Erscheinung galt. Am Mittwochmorgen betritt der frühere Schüler Tim K. im schwäbischen Winnenden die Albertville-Realschule und feuert kaltblütig mit einer großkalibrigen Pistole um sich. Bis auf einen Schüler sind seine Opfer alle weiblich. Acht Mädchen und drei Lehrerinnen, fast alle wurden mit einem gezielten Kopfschuss getötet. "Das Geschlecht kann, muss aber kein Motiv gewesen sein", sagt Ralf Michelfelder von der Polizei Waiblingen. Tim K. schoss auf sieben weitere Mädchen und verletzte sie. "Die überwiegende Zahl von weiblichen Opfern ist auffällig“, sagte der baden-württembergische Innenminister Rech.

Möglicherweise wurde der Amokläufer von Mitschülern gemobbt. Eine zwölfjährige Teilnehmerin des Trauergottesdienstes sagte der Nachrichtenagentur AP, sie habe Tim K. über einen Freund kennengelernt. Er habe ihr vor etwa drei Wochen einen Brief gezeigt. „Er schrieb seinen Eltern, dass er leidet und nicht mehr weiter kann“, sagte Sabienne B. der AP. Mitschüler hätten sich über ihn lustig gemacht, die Lehrer hätten ihn ignoriert. Die Polizei war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu den Aussagen des Mädchens erreichbar.

Bilder: Zehn Schüler bei Amoklauf nahe Stuttgart getötet

"Der Täter hat die Seele einer ganzen Schule zerstört und eine Stadt mitten ins Herz getroffen", versucht der Stuttgarter Innenminister Heribert Rech (CDU) das Unfassbare in Worte zu fassen. Nach Angaben von Michelfelder erhält die Einsatzstelle um 09.33 Uhr den Notruf eines Schülers. Bereits zwei Minuten später ist ein erster Streifenwagen an der Schule. Die drei Beamten betreten trotz der Gefahr sofort das Gebäude. Der Täter beschießt die Polizisten noch und flieht dann aus dem verwinkelten Bildungszentrum mit insgesamt vier Schulen und 1700 Schülern.

"Durch die sofortige Intervention mit hohem Risiko ist es gelungen, eine weitere Eskalation zu verhindern", sagt Rech später. Die Ermittler sind überzeugt, dass der 17-Jährige noch mehr Menschen töten wollte. Darauf deuten unzählige nicht abgefeuerte Patronen hin, die er in der Schule zurücklässt. Trotzdem ist die Bilanz grauenerregend. In einem Klassenraum finden die Beamten fünf tote Schüler. Sie waren offenbar so überrascht, dass sie laut Rech "teilweise noch ihre Schreibstifte in der Hand" hielten. In einer weiteren Klasse werden zwei Tote entdeckt, zwei Schüler sterben auf dem Weg ins Krankenhaus.

In einem Physikraum liegt eine getötete Lehrerin; die beiden anderen Pädagoginnen erschießt der mit einem dunklen Tarnanzug bekleidete Jugendliche auf dem Flur.

Trotz des Chaos reagieren die Lehrer offenbar besonnen und setzen den Alarmplan um, der seit dem Amoklauf am Johannes-Gutenberg-Gymnasium von Erfurt 2002 trainiert wird: einschließen in den Klassenzimmern und die Schule auf keinen Fall verlassen. Die Polizei schickt binnen einer Viertelstunde 240 Beamte an den Einsatzort. Überregional wird eine Großfahndung ausgelöst.

Chronologie: Amokläufe in Deutschland

Während kurz darauf im gesamten Rems-Murr-Kreis mit seinen 420.000 Einwohnern alle Schulen sicherheitshalber geschlossen werden, schlägt Tim K. erneut zu: Vor einem psychiatrischen Landeskrankenhaus erschießt er mit der Neun-Millimeter-Beretta einen Passanten. Danach zwingt er den 41-jährigen Fahrer eines VW Sharan, ihn aus Winnenden wegzufahren. Nach einer Irrfahrt durch die Region kommt der Wagen schließlich an einer Autobahnauffahrt bei Wendlingen von der Fahrbahn ab und bleibt im Morast stecken. Die Geisel kann entkommen und informiert eine Polizeistreife.

Für Tim K. endet die Flucht im Wendlinger Gewerbegebiet vor einem Autohaus. Dort erschießt er noch einen Verkäufer und einen Kunden, die er laut Polizei mitten in einem Verkaufsgespräch überrascht. Bei dem folgenden Schusswechsel werden zwei Polizisten in Zivil schwer verletzt. Tim K. erleidet eine Schusswunde am Bein und wird kurze Zeit später tot gefunden. "Der Stand unserer derzeitigen Ermittlungen deutet darauf hin, dass er sich selbst getötet hat", sagt Landespolizeipräsident Erwin Hetger.

Der Jugendliche, der gelegentlicher Gastschütze im Schützenverein SSV Leuchtenbach war, galt als zurückhaltend. Woher Tim K. die Waffe hatte, ist indes klar. Sein Vater besaß als Schützenvereinsmitglied 15 Waffen - 14 davon verwahrte er im Tresor, nur die Beretta lag im elterlichen Schlafzimmer.

Die Behörden in Baden-Württemberg schalteten für besorgte Eltern eine Hotline unter der Nummer 0711 90440149

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