Eine GfK-Meinungsumfrage für die "Welt am Sonntag" zeigt: Die Zustimmung zu längeren Laufzeiten von Atomkraftwerken ist in Ostdeutschland größer als im Westen. Doch in der Gesamtheit überwiegen die Vorbehalte gegen Kernenergie in der Bevölkerung noch immer. Mehr als die Hälfte will den Ausstieg.
Als die konservative Regierung in Schweden Anfang Februar das seit 30 Jahren geltende Bauverbot neuer Atomkraftwerke aufhob, löste dieser Schritt auch in Deutschland eine lebhafte energiepolitische Debatte aus: Die Rückkehr der Schweden zur Atomkraft sei „ein klares Signal, dass Kernenergie als Bestandteil eines breit gefächerten Energiemix noch immer nötig ist“, sagte etwa CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Der Sozialdemokrat Michael Müller, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, hielt dagegen, dass es „zu massiven Auseinandersetzungen in der Gesellschaft kommen werde“, wenn der deutsche Atomausstiegsbeschluss nach schwedischem Vorbild ebenfalls gekippt würde.
Tatsächlich hat das Ende des schwedischen Atomausstiegs in der deutschen Bevölkerung bislang nicht zu einem Meinungsumschwung bezüglich der Kernenergie geführt. Eine Woche nach der Verkündung in Stockholm befragte die GfK Marktforschung im Auftrag der „Welt am Sonntag“ 1025 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger: „Halten Sie es für richtig, die gesetzlich verkürzten Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke wieder zu verlängern oder sollte, ihrer Meinung nach, die Bundesregierung am geplanten Atomausstieg bis zum Jahr 2020 festhalten?“
Das Ergebnis zeigt, dass die Vorbehalte gegen Kernenergie in der Bevölkerung noch immer überwiegen: 53,2 Prozent der Befragten plädierten dafür, am deutschen Atomausstieg wie geplant festzuhalten. Nur 29,7 Prozent hielten es dagegen für richtig, die gesetzlich begrenzten Laufzeiten der deutschen Meiler doch wieder zu verlängern.
Allerdings hat die Atomkraft in den neuen Bundesländern offenbar sehr viel mehr Freunde als im Westen der Bundesrepublik: Nach den Ergebnissen der GfK-Umfrage stimmten im Osten eine relative Mehrheit von 43,8 Prozent der Befragten dafür, die AKW-Laufzeiten wieder zu verlängern. Nur 34,2 Prozent wollen hier am Atomausstieg festhalten. In den neuen Bundesländern gab es mit 22 Prozent der Stimmen auch vergleichsweise viele Unentschlossene. Ganz anders das Bild in den alten Bundesländern: Hier plädiert eine relativ große Mehrheit von 57,8 Prozent der Befragten für den Atomausstieg in der geplanten Form, und nur 26,3 Prozent für längere Laufzeiten.
Das in der gesellschaftlichen Debatte gelegentlich vorgebrachte Argument, eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke könne zu sinkenden Strompreise führen oder zumindest den Strompreisanstieg begrenzen, hat offenbar nicht allzu stark verfangen. Jedenfalls sprachen sich nur 29,3 Prozent der Befragten aus der niedrigsten Einkommensgruppe (mit einem Haushalts-Nettoeinkommen bis zu 1499 Euro) dafür aus, die deutschen Atomkraftwerke länger laufen zu lassen – obwohl die monatliche Stromrechnung in dieser Gruppe den größten Anteil am Haushaltsbudget hat. Demgegenüber waren es 43,3 Prozent aus der höchsten Einkommensgruppe (mit 3500 Euro Nettoeinkommen und mehr), die sich für eine Laufzeitverlängerung aussprachen.
Wenn der Westen Deutschlands auch offenbar besonders skeptisch ist, was die Kernenergie angeht, eine Ausnahme gibt es doch: Nach der GfK-Umfrage sind in Hamburg die Anhänger längerer AKW-Laufzeiten in der Überzahl. 50,4 Prozent der befragten Hanseaten sprachen sich für eine längere Betriebsdauer aus – obwohl oder gerade weil Hamburg mit Brokdorf, Krümmel und Brunsbüttel eine Region mit besonders hoher AKW-Dichte ist.