Welt Online, 21.01.2009
Pekings Propaganda hat sich bei Chinas Internetgemeinde und weltweit zum Gespött gemacht: Sie ließ eine Äußerung zum "Kommunismus" in der Antrittsrede von Barack Obama auf mehreren Webseiten zensieren. Damit zeigt das Land erneut seine Hilflosigkeit im Umgang mit der Pressefreiheit des Internets. Bilder: Barack Obama vereidigt Es war ein Tag, an dem niemand den Fernseher verlassen konnte. Selbst die Börsianer schielten weltweit neben ihrer Arbeit lieber auf den Fernsehbildschirm als auf die Aktienkurse. Die Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama war ein weltweites Medienereignis.
Weltweit? Nicht ganz. Die Volksrepublik China manipulierte seine Antrittsrede für ihr Volk und machte sich damit zum Gespött der Blogger-Gemeinde im Internet.
Als Obama in seiner Antrittsrede daran erinnerte, "dass frühere Generationen dem Faschismus und dem Kommunismus nicht einfach nur mit Raketen und Panzern begegnet sind, sondern mit robusten Allianzen und dauerhaften Überzeugungen", ließen offizielle Webseiten wie Xinhuanet diese Gleichsetzung durch Streichung in der übersetzten Fassung verschwinden.
Die Fälscher mussten notgedrungen ganze Arbeit leisten. Auf der Webseite von Sina.com, die die Rede zweisprachig zum Vergleichslesen anbot, entfernten sie auch aus dem englischen Text das Wort "Kommunismus".
Mehrere Webseiten kürzten zudem die Rede um einen ganzen Satz, in dem Obama Führer anderer Länder warnte: "Denen, die sich mit Korruption, Betrug und der Unterdrückung abweichender Meinungen an die Macht klammern, sage ich, wisst, dass ihr auf der falschen Seite der Geschichte steht...".
Internetnutzer reagierten mit Spott auf die Zensurmaßnahmen und das Katz- und Mausspiel der Webpolizei. Die hatte gestern im Netz alle Hände voll zu tun, um Proteste und die Vielzahl kompletter Obama-Übersetzungen, die mit dem Hinweis "Wushan Jieban" (unzensierter Text) erschienen, zu blockieren.
Obamas Rede war in China nach Pekinger Zeit um ein Uhr früh von TV-Sendern und Web-TV live mit eingesprochenen Übersetzungen ausgestrahlt worden.
Der CCTV-Nachrichtensender zeigte plötzlich eine verdatterte und hilflos blickende Sprecherin, als Obama an die Stelle mit dem Kommunismus kam. Die Szene, die die Propaganda ertappte, boten gestern viele Blogs als komischen YouTube-Streifen an.
Pekings Aufpasserbehörden haben auch früher kritische Sendungen bei Presse und Fernsehen zensiert. Dass sie sich nun so absurd und ungeschickt an Obamas eher harmlosen Zitaten vergreifen, zeigt wie verunsichert und nervös sie sind.
China steht ein sozial und wirtschaftlich unruhiges Jahr 2009 mit provokanten Gedenktagen wie dem Jahrestag des Tibet-Aufstand vom 10. März 1959 oder des Tiananmen-Massaker vom 4. Juni 1989 bevor.
Seit Anfang Januar ziehen die Behörden mit Hilfe einer "Anti-Pornografie"-Kampagne ihre Kontrolle über die Flut von Webseiten an. Bis gestern wurden 726 Webseiten wegen "obszönen Inhalten" geschlossen. Auch politisch anstoßende Webseiten wie "niubowang" wurden getroffen. Über die Zensur des US-Präsidenten höhnten gestern Blogs:. "Auch Obama ist nur ein Opfer der Kampagne gegen vulgäre Ausdrücke".
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