Tel Aviv/Gaza/Scharm el Scheich (dpa) - Nach der Verkündung einer Feuerpause im Gazakonflikt hat Israel am Sonntagabend mit einem Teilrückzug seiner Streitkräfte begonnen. Am Sonntag erklärten sich auch die militanten Palästinensergruppen nach Israel zu einer Waffenruhe von Woche bereit.
Die radikal-islamische Hamas verlangte, in dieser Zeit müsse Israel alle seine Soldaten aus dem Gazastreifen abziehen. Wenn die Waffenruhe halte, würden die Truppen «so bald wie möglich» abziehen, sagte der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert.
Der israelische Fernsehsender Channel 10 zeigte Sonntagabend fahrende Panzer und lächelnde Infanteristen, die auf dem Weg zur Grenze waren. Ein Militärsprecher sagte nach Medienangaben, er könne bestätigen, dass ein schrittweiser Abzug der Soldaten stattfinde. Er könne aber nicht sagen, wann der Rückzug abgeschlossen sein werde.
Der israelische Onlinedienst «ynet» zitierte hochangesiedelte israelische Quellen mit der Aussage, dass die Truppen bis zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Barack Obama am Dienstag zurückgezogen werden sollten, falls nichts Unvorhersehbares geschehe. Dies sei den europäischen Spitzenpolitikern bei ihrem Besuch gesagt worden. Israel macht den Abzug davon abhängig, dass keine neuen Raketen auf den Süden des Landes abgeschossen werden und die Waffenruhe hält.
«Damit aber gesichert ist, dass der Waffenstillstand hält, muss Israel die Hamas davon abhalten, sich neu zu bewaffnen», sagte Olmert bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderen europäischen Staats- und Regierungschefs. Olmert zufolge sicherten ihm die europäischen Gesprächspartner zu, sich für die Unterbindung des Waffenschmuggels in den Gazastreifen einsetzen zu wollen. «Diese Zusicherungen müssen in die Realität umgesetzt werden», sagte er. Die israelische Armee hatte in der Nacht zum Sonntag um 2.00 Uhr Ortszeit (1.00 Uhr MEZ) ihre massiven Angriffe auf Ziele im Gazastreifen eingestellt.
Palästinensische Sanitäter nutzten am Sonntagmorgen die ersten ruhigen Stunden seit Wochen, um mehr als 100 Tote zu bergen. Die Zahl der Todesopfer ist seit Beginn der israelischen Militäroffensive am 27. Dezember auf mindestens 1310 angestiegen. Weitere 5450 Menschen sind nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza verletzt worden. In Israel kamen zehn Soldaten und drei Zivilisten ums Leben.
Olmert drohte mit weiteren Militärschlägen im Gazastreifen. «Wenn der Beschuss weitergeht, ist die Armee darauf vorbereitet», sagte er zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem. «Wir werden ohne zu zögern das tun, was getan werden muss.»
Die USA, die Bundesregierung, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Papst Benedikt XVI. begrüßten die Ankündigung der einseitigen Waffenruhe durch Israel. Auf dem Nahost-Gipfel in Scharm el Scheich, zu dem der ägyptische Präsident Husni Mubarak kurzfristig eingeladen hatte, sprach sich Merkel für die Schaffung von Bedingungen aus, die zu einem dauerhaften Schweigen der Waffen führen sollen. Sie forderte ein Ende des Waffenschmuggels zugunsten militanter Palästinenser, der vor allem über Ägypten in den Gazastreifen läuft: «Es geht darum, die Grenzübergänge zu sichern, den Waffenschmuggel zu unterbinden.» Deutschland sei dazu bereit, wenn nötig technische Hilfe zu leisten.
Abbas nannte den Krieg im Gazastreifen eine «humanitäre Katastrophe». Das von den Medien gezeigte Leiden der Palästinenser in den vergangenen drei Wochen sei nur ein Bruchteil der schrecklichen Realität. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, sagte: «Wir brauchen nicht nur den Abzug (der israelischen Truppen), sondern auch die Öffnung der Grenzübergänge und ein Ende der Blockade».