Berlin (dpa) - Europa macht bei der angestrebten Neuordnung der Finanzmärkte Druck und will im Kampf gegen die Krise eine führende Rolle übernehmen. Die Staats- und Regierungschefs wichtiger EU-Länder vereinbarten bei ihrem Treffen am Sonntag in Berlin konkrete Schritte für mehr Transparenz und eine stärkere Kontrolle der Finanzmärkte.
Wie es aus Teilnehmerkreisen am Rande des Treffens hieß, sollen «alle Finanzmärkte, Finanzprodukte und Marktteilnehmer» lückenlos beaufsichtigt und reguliert werden. Bei ihrem Vorbereitungstreffen für den nächsten Welt-Finanzgipfel am 2. April in London erteilten die EU-Spitzen dem Vernehmen nach allen protektionistischen Tendenzen eine klare Absage. Die führenden EU-Nationen wollen ferner den Druck auf internationale Steueroasen und unkooperative Finanzzentren erhöhen. Im Gespräch sind Sanktionen gegen einzelne Staaten bei unzureichender Hilfe im Kampf gegen Steuerflucht und Geldwäsche.
Bei dem gut dreistündigen Treffen auf Einladung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmten Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Spanien, Luxemburg sowie Tschechien mit den Spitzen der EU-Kommission sowie der Europäischen Zentralbank und der Bank of England ihre Positionen ab. Die G20 hatten im November auf ihrem ersten Gipfel in Washington einen 47-Punkte-Aktionsplan vereinbart, um eine Wiederholung der Finanzkrise zu verhindern.
Die EU-Spitzen forderten in Berlin dem Vernehmen nach, den Aktionsplan «rasch und vollständig» umzusetzen. Auch über den 2. April hinaus müsse Druck aufrecht erhalten werden. Alle Finanzmärkte, -produkte und Marktteilnehmer müssten lückenlos und unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben, einer angemessenen Aufsicht oder Regulierung unterstellt werden, hieß es. Auch eine angemessene Aufsicht oder Regulierung von spekulativen Hedgefonds werde gefordert. Ferner sollten Rating-Agenturen registriert und beaufsichtigt werden.
Alle Länder müssten protektionistischen Tendenzen widerstehen und sich für eine weitere Öffnung des Welthandels einsetzen, hieß es nach dem Treffen weiter. Die WTO-Verhandlungen («Doha-Runde») zur weiteren Liberalisierung des Welthandels müssten erfolgreich abgeschlossen werden. Wettbewerbsverzerrungen durch die Konjunktur- und Bankenhilfen sollten auf ein absolutes Mindestmaß beschränkt werden.
Die EU-Länder folgten dem Vernehmen nach dem Vorstoß Merkels für einen globalen Ordnungsrahmen, um künftig Krisen zu vermeiden. Sie wollen sich für eine neue Charta für nachhaltiges Wirtschaften einsetzen. Die Länder sollten schnellstmöglich zur Budgetdisziplin zurückkehren. Mit Blick auf die hohen Zusatzzahlungen an Bank- Manager forderten die EU-Staaten neue transparente Vergütungssysteme, um Bonuszahlungen zu vermeiden, die zu exzessiven Risiken verleiten.
Die Lage auf den Finanzmärkten wird dem Vernehmen nach als weiter angespannt bezeichnet. Die EU-Spitzen bekannten sich nachdrücklich zur Verpflichtung, wichtigen systemrelevanten Finanzinstituten weiter beizustehen. Eine krisenverstärkende Wirkung von Regeln soll eingedämmt werden. Für den Umgang mit «faulen Wertpapieren» in Bank- Bilanzen werden gemeinsame EU-Grundsätze gefordert.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) als Krisenmanager soll gestärkt werden. Eine Verdopplung der IWF-Mittel wird unterstützt. Der IWF und das von Industriestaaten getragene Forum für Finanzstabilität (FSF) sollen zur Risikoüberwachung und Schaffung von Frühwarnsystemen gestärkt werden. Das FSF sollte rechtzeitig vor dem Londoner Gipfel um Schwellenländer erweitert werden.