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Hauptseite » 2009 » April » 7 » Wahlkampf - Steinmeier ist Schröders letzter politischer Trumpf
Wahlkampf - Steinmeier ist Schröders letzter politischer Trumpf
12:59
Welt Online, 07.04.2009

Vor einem halben Jahr, abends in einem Berliner Hotel. Ein Spendendinner zugunsten der Arbeiterwohlfahrt. Plötzlich ist er wieder da. Der Altkanzler. Gerhard Schröder durchquert mit gewohnt entschiedenem Schritt den Festsaal.

Seine Augen suchen nach bekannten Gesichtern. Sogleich entdeckt er eine Runde von Korrespondenten, von denen er jahrelang beobachtet und beschrieben worden ist, in Bonn und Berlin.

"Ich dachte, Ihr wärt längst pensioniert!", ruft Schröder mit dem ihm eigenen Charme den Journalisten zu. Ganz rasch, im Vorbeigehen, kommentiert er dann noch seinen eigenen Rückzug aus der Tagespolitik. "Ich habe es nicht bereut", behauptet er.

Hat Schröder seinen Abschied aus der politischen Arena, seine Abwahl als Bundeskanzler wirklich nicht bereut? Würde der Taktiker Schröder nicht doch liebend gern wieder mitmischen, zumal inmitten einer großen Krise? Offenbar nicht – erst kürzlich hat Schröder, der heute 65 Jahre alt wird, eine Rückkehr in die aktive Politik abermals ausgeschlossen.

Dabei hatte Schröder mit dem Ende seiner Kanzlerschaft im November 2005 gar keinen abrupten Abschied aus der Politik vollzogen, auch wenn der Bundeskanzler a. D. sogleich sein eben erworbenes Parlamentsmandat niederlegte. Schröder befindet sich – anders als Helmut Schmidt nach seiner Regierungszeit und Helmut Kohl seit der Spendenaffäre – in einer Sondersituation. Verursacht hat sie niemand sonst als der dritte sozialdemokratische Kanzler selbst.

Schröder nämlich hatte die SPD in einer letzten Kraftanstrengung bei der Bundestagswahl 2005 auf immerhin 34 Prozent der Stimmen gehievt; seine Partei landete damit nur knapp hinter der Union. Vor allem aber sicherte Schröder der SPD die Rolle als Regierungspartei – ein solcher Erfolg war weder Schmidt noch Kohl mit ihrer Abwahl vergönnt. Die SPD hat es also ganz wesentlich Schröder zu verdanken, dass sie regiert, acht weitgehend geachtete Minister stellt und mit dem – von Schröder geförderten – Frank-Walter Steinmeier einen Kanzlerkandidaten erkoren hat, der im Volk Vertrauen genießt.

Das gilt für Schröder selbst nur bedingt. Ein Stichwort, Gazprom nämlich, genügt, und sogleich entlädt sich selbst bei vielen Sozialdemokraten Unmut. Auch die Schröder Wohlgesonnenen sprechen dabei von einer „unglücklichen“ Angelegenheit. Der Altkanzler wiederum weiß um die Kritik und den beißenden Spott hinsichtlich seines Aufsichtsratsvorsitzes bei der russisch-deutschen Ostsee-Pipeline. Musste er diesen Job wirklich schon im Dezember 2005 übernehmen? Hätte er ihn nicht, wo es ihm doch um die Sache geht, wenigstens unentgeltlich ausüben können? Auch Parteifreunde stellten ihm, hinter verschlossenen Türen oder in verschlossenen Briefen, diese Fragen.

Gleiches gilt für Schröders Wort vom „lupenreinen Demokraten“ Wladimir Putin, das er in dieser simplen Sichtweise selbst bedauert. In einem Interview mit dem „Zeit Magazin“ äußert sich Schröder ausführlich zu seiner Freundschaft mit Putin und seinem Gazprom-Engagement. Um eine „Enttäuschung zu überwinden“, habe er, kaum dass er das Kanzleramt verlassen hatte, bei der Ostsee-Pipeline angeheuert. „Ich wusste, wenn du nicht arbeitest, wirst du zu Hause ungenießbar“, berichtet Schröder. „Ich fühlte mich mit 61 Jahren zu jung, um Ruhestand zu machen.“ Von wegen also, er habe nichts bereut.

Sicher, Schröder ging und geht es auch um Geld. Für ihn, der als Kriegskind aus ärmsten Verhältnisse seiner Mutter versprochen hatte, sie eines Tages mit dem Mercedes abzuholen, waren Statussymbole stets wichtig. Die teuren Zigarren genießt er nach wie vor. Doch Geld als Erklärungsmuster für seinen umstrittenen Aufsichtsratsjob – das wird der Sache nicht gerecht. Ebenso greift es zu kurz, Schröders enges Verhältnis zu Russland mit (sicherlich existierenden) antiamerikanischen Vorbehalten aus seiner Juso-Sozialisation zu erklären. Die Neigung zu Russland, verwoben mit nationalem Denken, verbindet Schröder etwa mit dem von ihm geschätzten Egon Bahr. Beide nehmen kleine Staaten wenig ernst und betreiben, wenn es darauf ankommt, menschenrechtspolitische Leisetreterei.

Schröder hat darüber hinaus die Chancen eines guten wirtschaftlichen Einvernehmens mit Moskau im Blick. Er erkennt in Russland, auch wenn er das so nicht formuliert, für Deutschland auf Dauer einen wichtigeren Partner als in den Vereinigten Staaten. Doch bei Schröder kommt noch eine emotionale Komponente hinzu, die seine Bindung zu Russland prägt. Da war der Vater, den er nie gesehen hat, gefallen als Soldat in Rumänien. Da ist die Freundschaft mit Putin, dessen Deutschkenntnisse Schröder bewundert, zudem das gute Verhältnis der beiden Ehefrauen. Nicht zuletzt hat das Ehepaar Schröder zwei russische Kinder adoptiert. Kurzum: Der Westdeutsche Schröder denkt weitaus östlicher als seine in Ostdeutschland aufgewachsene Nachfolgerin Angela Merkel.

Gazprom und der lupenreine Demokrat – diese Vokabeln mag Frank-Walter Steinmeier gar nicht hören. Schon als Außenminister wollte Steinmeier aus dem langen Schatten Schröders treten. Als Kanzlerkandidat muss er es tun. Als er kürzlich bei der Vorstellung seines neuen Buches im Berliner Ensemble gefragt wurde, ob es gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Schröder geben werde, wich Steinmeier aus. Er sprach von Angeboten seines Mentors, „hilfreich zu sein“. Man schätze sich nach wie vor, sagte er. „Umschreibungen von Journalisten nehmen wir nicht ernst“, beschied Steinmeier, schon fast verfallen in die Semantik Helmut Kohls. Recht kurz fällt Steinmeiers Gratulationsschreiben zu Schröders heutigem Geburtstag aus. „Du hast Dich und unsere Partei immer gefordert“, heißt es darin. Das würde wohl jeder Sozialdemokrat unterschreiben, anders als die knappe, aber eben doch verwendete Schlussformel: „Wir brauchen Dich!“ Dass Schröder bereit sei, im Wahlkampf zu helfen, schob Steinmeier gestern noch einmal nach, und dass man sich darüber freue. Details aber seien noch nicht besprochen.

Immer wieder jedenfalls wird Steinmeier mit Schröder verglichen. Das mag liegen an der ostwestfälischen Färbung ihrer Stimmen und an ihrer eineinhalb Jahrzehnte währenden Symbiose in Hannover, Bonn und Berlin. Von Charakter wie Mentalität aber könnten Schröder und Steinmeier kaum unterschiedlicher sein. Schröder war stets ein politischer Spieler, spontan und unberechenbar, ein Instinktpolitiker, ein Charismatiker, ein Haudrauf, der im Wahlkampf die eigentliche Essenz von Politik sah. Steinmeier hingegen ist auf Sicherheit bedacht, verlässlich, genau. Kein Mann der flotten Sprüche, bislang wenigstens. Ein Mann, der Akten liest.

Schröders Entscheidung für Neuwahlen hielt Steinmeier für falsch. Er hielt eine Rückkehr in Regierungsverantwortung, geschweige denn ins Kanzleramt, für ungewiss. Schröder sah das ebenso, ergriff aber beherzt das Heft des Handelns, kämpfte bis zur Erschöpfung und hisste im Endspurt des Wahlkampfs die rote Fahne derart überzeugt, dass von der Agenda 2010 niemand mehr sprechen mochte.

So brachial Schröder politisch einmal ins Auge gefasste historische Entscheidungen durchpaukte, ob die Beteiligung am Kosovo-Krieg oder den Afghanistan-Einsatz, das Nein zum Irak-Krieg und eben die Agenda, so flexibel agierte er anderer Stelle. Viel Intuition war da im Spiel, oft ein Mangel an Detailinteresse und eine fehlende Bereitschaft, Sachverhalte zu begründen. Auch das unterscheidet Schröder von Steinmeier.

Und doch bilden diese beiden Männer selbst noch im Jahre 2009 eine Symbiose. Ohne Schröder wäre Steinmeier Ende 2005, kurz nachdem Franz Müntefering plötzlich von einer großen Koalition zu reden begonnen hatte, nicht Außenminister geworden. Stets plädierte Schröder intern leise, aber vernehmbar für eine Kanzlerkandidatur Steinmeiers. Nur vier Tage nach dem denkwürdigen Rückzug Kurt Becks am Schwielowsee verkündete Schröder: „Ich bin stolz auf meine Partei, die mit Frank-Walter Steinmeier den Besten für dieses wichtige Amt des Bundeskanzlers ins Rennen schickt. Er hat das Zeug zum Kanzler.“

Der Kanzlerkandidat Steinmeier könnte sich als letzter Trumpf Gerhard Schröders erweisen. Es liegt nahe, dass Schröder sich einen angriffsstarken Kandidaten wünscht; öffentliche Ratschläge aber wird er Steinmeier wohl ersparen. Mit dessen Bewerbung um das höchste Regierungsamt steht schließlich auch für Schröder etwas auf dem Spiel.

Sollte Steinmeier im September ein respektables Ergebnis einfahren oder gar vierter sozialdemokratischer Kanzler werden, dürfte die SPD schon bald zu einer Verehrung Schröders neigen. Bei einer krachenden Niederlage und einer Verdammnis in die Opposition läge es dagegen nahe, dass eine nach links rückende Sozialdemokratie mit dem Erbe Gerhard Schröders bricht.

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